Kulturgenuss in den Ardennen
Fotonachweis: Gregor LenglerMuseum CACLB und Musées Gaumais
Wer glaubt, wichtige Kulturstätten befinden sich nur in den Metropolen der Welt, der irrt. Im Süden der Wallonie kurz vor der französischen Grenze warten außergewöhnliche Sammlungen auf kunstinteressierte Besucher. Hier im ländlichen Raum rund um das Städtchen Virton werden sie an außergewöhnlichen Locations präsentiert, oft ganz dicht an der tiefgrünen Natur. Zudem lässt sich vor Ort manch alter Legende nachspüren
In einem dichten Laubwald ganz im Süden der belgischen Provinz Luxemburg in der Region Wallonie steht ein höchst eigenwilliges Bauwerk. Es besteht aus kreuzförmig übereinander gestapelten roten Containern, einige der Fronten sind verglast und lassen Licht ins Innere hinein. Die überdimensional großen Metallboxen wirken hier gar nicht scharfkantig oder hart, sondern fügen sich irgendwie organisch ein in die grüne Natur ringsherum, das Gebilde erscheint eher wie ein friedlicher Riese im Wald. Drinnen sind die einzelnen Ebenen durch eine Wendeltreppe miteinander verbunden, nationale wie internationale Künstler stellen dort ihre Werke aus – wie auch an anderen ungewöhnlichen Orten in diesem Museums-Areal.
Das Centre d’Art Contemporain du Luxembourg belge, kurz CACLB, liegt in einem engen Tal gut zehn Kilometer nördlich des Städtchens Virton nah an der Grenze zu Frankreich. Die Zufahrtsstraße ist kurvenreich, rechts und links erheben sich dicht bewaldete Hänge. Dann plötzlich eine dezente Ausschilderung, von der Straße aus sind kaum Gebäude zu sehen. Die einsame Lage wurde bewusst gewählt – die 1984 gegründete Einrichtung wollte zeitgenössische Kunst einmal nicht im urbanen, sondern im ländlichen Raum präsentieren, so Francoise Lutgen, charismatische Direktorin des CACLB. Damit wurde ein einmaliges Konzept geschaffen und bis heute gekonnt umgesetzt.
In den ersten Jahren hat man Exponate bei kleinen Ausstellungen an verschiedenen Orten der Provinz Luxemburg gezeigt, in Buchhandlungen oder Bibliotheken belgischer Kleinstädte etwa oder auch mal in einer Zisterzienserabtei oder in einem alten Schieferbergwerk. Seit 2007 residiert das CACLB nun in dem schmalen Tal bei Virton. Im tiefgrünen, von einem Fluss durchzogenen Gelände verteilen sich mehrere, oft marode Gebäude – ein kleines weißes, zweistöckiges Haus direkt am Wasser, Ruinen alter Hallen und Schmieden, ein uraltes Herrenhaus. Drum herum nichts als Natur.
Eine beinah meditative Atmosphäre liegt über dem Areal
In allen Gebäuden und Ruinen ist Kunst ausgestellt, außerdem auch open-air im Grünen auf dem Gelände. Bizarre Exponate aus Holz etwa, farbenfrohe Textilien, die Skulptur eines hohlen, in zwei Hälften geschnittenen Walfischs. Es gibt zudem immer wieder Wechselausstellungen von Kreativen aus aller Welt. Die Kunst integriert sich hier in den Ort, nichts stört, nichts ist überflüssig. Der Wind zaust sachte das Gras, die Sonne wandert im Tagesverlauf von einer Seite des Areals zur anderen. Eine fast meditative Atmosphäre liegt über dem Ganzen.
Und dann ist es Zeit, weiterzugehen. Ein Stück oberhalb des CACLB, mitten im Wald auf einer Anhöhe, liegt nämlich ein zweites Highlight für Kulturliebhaber, ein Ableger des Verbunds Musées Gaumais, in dem sich mehrere Sammlungen rund um den 11.500-Einwohner-Ort Virton vereinen. Das Wort Gaumais entstammt dem Begriff Gaume, der die historische Landschaft in diesem Teil der Provinz Luxemburg bezeichnet, man spricht hier auch eine ganz besondere Mundart. Und das Museum sowie der archäologische Park Montauban hier im Wald sind die wohl ungewöhnlichste Locations dieses Verbunds, von ihrem charmanten Leiter Didier Culot stolz präsentiert.
Der weiße, einstöckige Bau ist toll in die Landschaft integriert, er ist in den Berg hinein gebaut und nur von einer Seite aus sichtbar. Besucher können ihn nicht betreten, die Sammlung ist ausschließlich von außen durch große Glasfenster einsehbar (dafür braucht man auch keine Eintrittskarte). Hinter Glas werden antike Fundstücke präsentiert, etwa von den Ausgrabungen eines Fachreliefs aus der Gallo-römischen Zeit (entdeckt 1958). Die Reliefs wurden vermeintlich aus römischen Grabdenkmälern entnommen und zum Bau einer anliegenden Siedlung genutzt, von der heute noch Überreste eines Ringwalls zu sehen sind. Besonders bekannt ist das Relief „Mähdrescher der Treviren“, dadurch konnte die Art der damaligen Ernte vor Ort nachvollzogen werden – Nachbildungen des Reliefs sowie eines Mähdreschers sind auch draußen im Wald hautnah zu bewundern.
Zu den Musées Gaumais zählen weitere schöne Sammlungen
Vom Museum fort zeigt dann ein Wegweiser mit der Aufschrift Donjon (Wehrturm). Dort warten nah an einem Abhang die Ruinen eines Bergfrieds, um den sich eine karolingische Legende rankt. Die mächtige Anlage soll den vier Söhnen des Grafen Aymons gehört haben, die einst in erhebliche Schwierigkeiten gerieten. Beim Versuch, sich dem autoritären und streng christlichen Regime Karls des Großen (747–814) zu widersetzen, mussten sie vorm Zorn des Potentaten in den dichten Ardennenwald flüchten. Mit Hilfe eines tapferen Ritters und Zauberers, der ihnen auch ein magisches Schwert und ein mystisches Pferd – das kilometerweit springen konnte – schenkte, errichteten die vier Söhne den Bergfried in Montauban. Noch heute ist es ein magischer Kraftort, wo aus jeder Ecke Geschichte und Geschichten wispern.
Wer nun noch mehr Blicke in die Vergangenheit werfen will, kein Problem, zu den Musées Gaumais zählen weitere Leckerbissen. Zentrum und Hauptsitz des Verbands ist das Musée de Virton im gleichnamigen Städtchen, das dort seit 1939 in einem ehemaligen Franziskaner-Kloster Einblicke in Geschichte und Kultur der Region Gaume gewährt. Etwa vier Kilometer südöstlich von Virton zeigt das Musée de la Vie paysanne in einem Bauernhaus aus dem 18.
Jahrhundert dörfliches Alltagsleben. Und etwas weiter entfernt gibt es Infos zur Geschichte des örtlichen Schlosses sowie zu den Geschehnissen während der beiden Weltkriege in dieser Region im Musée Baillet-Latour.
Kunst- und Geschichtsinteressierte müssen also im Urlaub nicht unbedingt in die Großstädte reisen, um ihre Neugier zu befriedigen. Auch hier im ländlichen Raum in den Ardennen im äußersten Süden der Wallonie wird hochklassige Kultur geboten. Mit dem Vorteil verbunden, dass sie sich oft in unmittelbarer Nähe und im Einklang mit der Natur präsentiert – der Besucher kann also das beste zweier Welten genießen.
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