Ein Mountainbiker der einen Weg entlang fährt in Richtung Kamera. Um ihn herum ist alles grün bewaldet.

Stoneman Arduenna

Fotonachweis: Thomas Linkel
Dreckig, rau und wunderbar

Als Mountainbike-Revier sind die ostbelgischen Ardennen noch fast ein weißer Fleck auf der Landkarte – und mit der neuen Stoneman-Strecke wurde dort eine echte Herausforderung geschaffen. Die schweißtreibende Tour ist gespickt mit Landschaftsgenuss und Glücksmomenten im Sattel.

Eben noch sah alles nach einer familienfreundlichen Sonntagstour aus, ging’s auf Forstwegen durch den Wald, über eine Lichtung einen sanften Anstieg hinauf und zu einer kleinen Kuppe. Jetzt führt der Trail gefühlt senkrecht hinab, zwischen dichtstehenden Nadelbäumen und moosbewachsenem Fels hindurch und um eine enge Kurve. Knorriges Wurzelgeflecht überzieht den Waldboden, hinter den Felsen gähnt eine Schlucht. Für Sonntagsradler wäre hier Schluss, Arne Janssens aber brettert den halsbrecherischen Abhang hinab, ohne mit der Wimper zu zucken. Schon zigmal ist er die Passage gefahren, doch eines ist neu: Seit Kurzem liegt sie auf der Strecke des neuen Stoneman Arduenna, der als Rundtour durch Ostbelgien führt.

 

Ein Mountainbiker fährt durch einen Fluss. Ansicht von oben. Drumherum ist Wald.
Fotonachweis: Thomas Linkel

Arne lebt in Schönberg bei St. Vith – und ist eines der größten belgischen Nachwuchs-Mountainbike-Talente. Seit 2017 fährt der 20-Jährige für das Team Merida-Wallonie Spitzenplätze ein. Sein ehrgeiziger Plan: Er will den Sprung vom Amateur zum Profi zu schaffen. Auf seinen Trainingsrunden hat er schon jeden Trail, jeden Weg durch die Wälder und über die Höhenzüge zwischen dem Signal de Botrange im Hohen Venn im Norden Ostbelgiens und Ouren im äußersten Südosten erkundet. „Das tollste am Biken ist für mich die Freiheit – du springst einfach aufs Rad und fährst los, erkundest die Gegend und entdeckst Stellen, an die du mit dem Auto gar nicht hinkommen würdest“.

Und beim Stoneman, sagt sein Erfinder, der Südtiroler Mountainbikeprofi Roland Stauder, gehe es genau darum: Um ein sportliches Abenteuer in wunderschöner Landschaft. Leistung und Technik seien dabei zweitrangig, im Mittelpunkt eines jeden Stoneman-Parcours stehe das Naturerlebnis. Auf den Ur-Stoneman in den Dolomiten folgten Strecken in Deutschland, der Schweiz und Österreich – und nun in Belgien. Landschaftlich unterscheiden sich die Touren, jede hat ihren eigenen Charakter und besonderen Reiz. Eines aber haben alle fünf gemeinsam: Sie sind auch für Profis eine echte Herausforderung.

Ostbelgiens unbekanntes Rad-Revier

Bei Tourenradlern sind die kurvigen Pisten in der hügeligen Region im Dreiländereck zwischen Eifel und Ardennen längst bekannt, doch in der Stollenreifen-Szene gilt Ostbelgien noch als unentdeckter Fleck auf der Landkarte. Das wird sich ändern, meint Dany Heck, der bei der Tourismusagentur Ostbelgien das Stoneman-Projekt betreut: „Durch den Stoneman Arduenna erfährt Ostbelgien international einen enormen Zuwachs im Bekanntheitsgrad als Mountainbike-Destination. Das ist wahrlich ein Ritterschlag“. Auf 176 Kilometern und über 3400 Höhenmeter führt der Mountainbike-Marathon durch die Mittelgebirgsregion im Schnittpunkt von Ardennen und Eifel, von der Savannenlandschaft des Hohen Venn ins höhenmeterreiche Our-Tal, entlang der Seenlandschaft um Robertville und Bütgenbach, durch tiefe Wälder und vorbei an hohen Felsen bei Malmedy und Montenau.

Arne
Mountainbiker
„Das tollste am Biken ist für mich die Freiheit – du springst einfach aufs Rad und fährst los."
Arne, der Montainbiker, der den Stoneman-Trail fährt steht hinter seinem Mountainbike und lächelt in die Kamera. Dahinter ein Van mit der Aufschrift Ostbelgien und ein Weg der Waldrand entlang führt.
Fotonachweis: Thomas Linkel

Seit Juli 2020 ist die Strecke offiziell eröffnet. Wer den Stoneman bezwingen wolle, sagt Heck, müsse schon drei- bis fünftausend Kilometer jährlich im Sattel sitzen. Oder, wie er es ausdrückt: eine gewisse Grundkondition mitbringen. Doch dass Ostbelgien einem ebenso viel abverlangt, wie es bietet, weiß auch Arne: „Die Region bietet für Mountainbiker einen tollen Mix, schöne Aussichten wechseln sich ab mit Anstiegen und technischen Trails, die einen manchmal bis ans Limit treiben“. Noch geht es auf den Trails wunderbar ruhig zu, oft hat man die Pisten allein für sich. Auch heute sind kaum andere Biker unterwegs. Was allerdings auch am Wetter liegen könnte: Schon am Vorabend hingen dunkle Wolken am Himmel, seit dem frühen Morgen regnet es. Der Erdboden ist aufgeweicht, Steine und Wurzeln nass und rutschig. Vom Hinterrad schleudern matschige Erdbrocken auf, aus tiefen Pfützen spritzt das Wasser zu allen Seiten. Nach kurzer Zeit ist Arne von Kopf bis Fuß durchnässt und matschverkrustet; sein Bike sieht nicht besser aus. Es ist eine Schlammschlacht, aber irgendwie passt das gut zum Stoneman: das Raue, das Dreckige, das Ans-eigene-Limit-Stoßen. Aufgeben ist keine Option, sagt Arne und strampelt weiter.

Das Stoneman-Konzept ist simpel – und zugleich fast ein Ding der Unmöglichkeit: Wer es wirklich wissen und ein „wahrer“ Steinmann sein will, der bewältigt die gesamte Runde an einem Tag. Zwischen 120 und 176 Kilometer sind die Strecken lang, bis zu 4700 Höhenmeter gilt es dabei zu überwinden. Als Trophäe für Zuhause gibt’s einen lackierten Felsbrocken. Das passt, schließlich ist auch ein Stoneman ein harter Brocken. Realistischer für den Freizeit-Biker ist da Silber und Bronze, die in zwei und drei Tagen eingefahren werden können. An Checkpunkten wird die Starterkarte abgestempelt, als Finisher gilt jeder, der die Strecke in maximal drei Tagen schafft. Die Route ist optimal ausgeschildert, drumherum besteht eine ausgefeilte Infrastruktur – etwa durch Partnerhotels, die sich als Bed-and-Bike-Betrieb mit Rad-Waschstationen und Werkzeug speziell auf Mountainbiker eingestellt haben. Dort gibt es auch die Starterpakete, in denen neben Stempel- und Routenkarte auch die GPS-Tracks und andere nützliche Kleinigkeiten enthalten sind.

Sattel-Fest in Ostbelgien

Durch Wald und Wiesen, über Trails und Forstwege, an Seen vorbei und quer durch Bachläufe führt die Runde, es ist ein ständiges Auf und Ab. „Der Arduenna ist wie eine Zusammenfassung der Landschaft Ostbelgiens“, meint Arne. Selbst er, der Vollblut-Mountainbiker, hat Respekt vor der 176-Kilometer-Tour: „An einem Tag ist das eine krasse Sache, aber auch auf zwei oder drei Tage verteilt kein einfaches Ding. Auf jeden Fall eine harte Nummer.“ Auch am höchsten Punkt von Belgien wird die Starterkarte gestempelt. Wer von Botrange ein fulminantes Bergpanorama wie bei den Alpen-Stonemans erwartet, wird enttäuscht, dafür reichen seine 695 Meter über Seehöhe nicht. Schön ist es hier nichtsdestotrotz: Auf dem Mittelgebirgsplateau breitet sich ein Hochmoor aus, bei gutem Wetter reicht der Blick weit über die von hohen Gräsern und niedrigen Sträuchern bewachsene Landschaft. Jetzt treibt der Wind graue Nebelschwaden und zerrupfte Wolkenschleier vor sich her und lässt den Nieselregen aus allen Richtungen kommen. Doch das Naturerlebnis schmälert das nicht, das Gefühl von Weite und Abgeschiedenheit wird nur verstärkt. Es ist ein intensiver Moment, der sich anfühlt wie der Stoneman selbst: Gemütlich geht anders, Überwindung gehört dazu. Der Genuss kommt im Anschluss …

 

Ein Mountainbiker fährt einen Berg runter. Der Mountainbiker ist unscharf durch die Geschwindigkeit. Im Hintergrund befinden sich Felsen, Wald und Moos. Fotonachweis: Thomas Linkel

Info Stoneman
Der Stoneman Dolomiti, der durch die Südtiroler Dolomiten führt, ist die Ur-Strecke. Es folgten Stonemans im Erzgebirge in Deutschland, zum Altschgletscher in der Schweiz, durch die Alpen in Österreich und die Ardennen in Belgien.

Weitere Infos:
https://www.stoneman-arduenna.com/
https://www.ostbelgien.eu/de/fahrrad/stoneman-arduenna
https://www.facebook.com/StonemanArduenna

Ein Mountainbiker fährt durch einen Fluss. Ansicht von oben. Drumherum ist Wald.
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