Ein Teil der Vennbahn ist aus der Luft sichtbar: Der türkisfarbene Radweg kreuzt die Bahngleise.

Die Vennbahn

Fotonachweis: Udo Bernhart
Grenz-Erfahrung: Unterwegs auf der Vennbahn

125 Kilometer, drei Länder und 17 Grenzübergänge: Der Vennbahn-Fernradweg verläuft auf einer ehemaligen Eisenbahnstrecke quer durch Ostbelgien und verbindet die Städte Aachen in Deutschland und Troisvierges in Luxemburg miteinander.

Eine Frau in Radler-Montur posiert mit ihrem Fahrrad auf einem breiten Baumstamm, lacht und streckt ihre Hände gen Himmel. Auf dem Boden steht ihr Mitradler und fotografiert sie kichernd. Der dritte im Bunde wartet schon darauf, nach ihr mit seinem Rad auf den Baumstamm zu klettern. Christoph und sein Vater Karl-Heinz sind dem Trio heute schon öfter begegnet. Erst wurden sie von den Rennradlern überholt, jetzt beobachten die beiden deren Treiben von ihrem Sitzplatz im Biergarten am Stellwerk Raeren. Kurze Zeit später betreten die Sportler ebenfalls den Biergarten und kommen mit Christoph und seinem Vater ins Gespräch. Sie seien heute früh in Troisvierges aufgebrochen, erzählen die Rennradler zufrieden. Vor dem Sonnenuntergang wollen sie in Aachen sein.

Als die drei Sportler den Biergarten verlassen, prosten sich Christoph und Karl-Heinz zu. Sie haben ihr heutiges Etappenziel schon erreicht. Die Strecke von Leykaul nach Raeren ist ordentliche 33 Kilometer lang. Dieses Jahr schaffen die beiden die 125 Kilometer lange Radtour von Troisvierges nach Aachen in vier Tagen. Letztes Jahr waren es fünf. Das Zeitziel nächstes Jahr? Unwichtig.

Ein Radfahrer steht stolz auf einem riesigen, alten Baumstumpf und hält sein Fahrrad neben sich. Fotonachweis: Udo Bernhart

Für Karl-Heinz zählt das Erlebnis in der schönen Natur, für Christoph, der Historiker an der Uni Luxemburg ist, die spannende Geschichte der Vennbahn. Beide genießen das friedliche Miteinander der Radreisenden. „Hallo“, „Bonjour“, „Hello“, man grüßt sich oder nickt sich zu, bietet Hilfe bei platten Reifen oder rausgesprungenen Ketten an und bedankt sich, wenn man bei einem Überholmanöver vorbeigelassen wird. Auf der Vennbahn radeln alle für sich allein und doch miteinander.

Eine lange Geschichte

Die Vennbahn ist ein 125 Kilometer langer Fernradweg, der die Städte Troisvierges in Luxemburg und Aachen in Deutschland miteinander verbindet und dabei quer durch Ostbelgien verläuft. Bevor die Strecke 2012 zu einem Fahrradweg ausgebaut wurde, verkehrte dort fast einhundert Jahre lang eine Eisenbahn, die die Luxemburg-Lothringische Eisenerz-Region in großen Schlangenlinien mit dem Rheinischen Industrierevier verband. Den Namen hat die Strecke von dem riesigen deutsch-belgischen Naturpark „Hohes Venn“, den sie durchquert. Es ist eine schöne Strecke, die vor allem durch ländliches Gebiet, grüne Wälder und weite Getreidefelder führt. Dazwischen liegen kleine Dörfer und Städtchen wie Monschau in Deutschland oder St. Vith in Belgien, nach großen Städten sucht man auf der Strecke vergeblich.

Wäre die Vennbahn ein normaler Fernradweg, würde sie auf der Strecke von Luxemburg über Belgien nach Deutschland nur zwei Grenzen überqueren. Die Vennbahn ist jedoch besonders: Zwischen den belgischen Ortschaften Raeren und Leykaul, die nur 25 Kilometer auseinander liegen, schneidet der Radweg die deutsch-belgische Grenze insgesamt 14 Mal! – und das, ohne belgischen Boden zu verlassen.

Drei Mountainbiker sind auf einem Radweg zu sehen, der durch ein grünes Feld voller weißer Wildblumen führt. Fotonachweis: Udo Bernhart

Wieso das so ist, weiß Christoph. „Bis zum ersten Weltkrieg verlief die Vennbahn auf „deutschem“ Territorium“, erzählt der Historiker. „Lothringen und Luxemburg gehörten damals dem deutschen Zollverein an, ein Zusammenschluss von Staaten des deutschen Bundes. Nach dem ersten Weltkrieg wurden die damals preußischen Kreise Malmedy und Eupen mit dem Versailler Vertrag Belgien zugesprochen. Belgien forderte – und bekam – zudem auch die Venn-Eisenbahn, da diese für beide Städte von großer wirtschaftlicher Bedeutung war.“

Die Vennbahn ist aus der Vogelperspektive zu sehen.

Fotonachweis: Udo Bernhart
Drei Mountainbiker stehen vor einem bunt besprühten Zug. Im Vordergrund sind die Gleise zu sehen.

Fotonachweis: Udo Bernhart
Zwei Mountainbiker radeln neben einem Restaurant an der Vennbahn.

Fotonachweis: Udo Bernhart
Zwei Männer und eine Frau machen eine Pause beim Radfahren im Wald. Der Himmel ist blau und das Grün bildet den Hintergrund, vor dem sie auf einem großen Baumstumpf sitzen.

Fotonachweis: Udo Bernhart

Für das Problem, dass Teile der Eisenbahnstrecke immer noch, trotz verschobener Grenzen, durch Deutschland verliefen, fand man eine einfache Lösung. Die Bahntrasse und Bahnhöfe wurden einfach zu belgischem Staatsgebiet erklärt, sodass sich eine Art belgisches Band zwischen Raeren und Leykaul immer wieder über die deutsche Grenze schlängelte und damit auch fünf deutsche Exklaven bildete. Ein Band, das heute immer noch existiert.

Im Gegensatz zu damals bemerkt man heute nichts mehr von den Grenzwechseln. Keine Schilder begrüßen die Radler in Deutschland oder Belgien, keine Landesflagge ist an den Fahrbahnrändern gehisst. Einige der ehemaligen Bahnhöfe und Grenzstationen wurden zu Imbissen oder überdachten Rastplätzen umfunktioniert. An vielen stehen Informationstafeln, die die Geschichte der Vennbahn und der Region beschreiben.

Darauf, welcher Streckenabschnitt der schönste ist, können sich Vater und Sohn nicht einigen. Christoph findet die Strecke von St. Vith bis zur luxemburgischen Grenze am schönsten, da dort die Natur noch wild und rau ist. Karl-Heinz schlägt die Strecke von Leykaul nach Monschau vor, die durch das Rurtal führt. Christoph nickt zustimmend, von dem Viadukt sei das Kloster Reichenstein zu sehen, das geschichtlich sehr interessant sei. Karl-Heinz nickt schmunzelnd und schweigt. Er dachte eher an die schöne Landschaft und die rotbraunen Highland-Rinder, die auf den abschüssigen Weiden grasen.

Drei Radfahrer fahren auf einem Weg in Richtung der Kamera. Blauer Himmel und grüne Natur sind um sie herum. Fotonachweis: Udo Bernhart

Worüber sich die beiden einig sind: Die Umwandlung der Vennbahn von einer stillgelegten Eisenbahnstrecke zu einem Radweg war eine gute Entscheidung. Christoph ist oft mit seinen Söhnen auf der Vennbahn unterwegs und auch Karl-Heinz genießt die gemeinsamen Rad-Ausflüge mit seinem Sohn in vollen Zügen. Ein Radweg für viele Generationen.

Mehr Infos unter: https://www.vennbahn.eu

Drei Mountainbiker stehen vor einem bunt besprühten Zug. Im Vordergrund sind die Gleise zu sehen.
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