Drei Weinfässer nebeneinander aufgereiht.

Zu Gast auf zwei Weingütern

Fotonachweis: Gregor Lengler
Willensstarke Winzer an der Mosel

Lieblich geschwungene Hügel, in die Hänge gebaute Weindörfer und dazwischen ein sanft fließender Fluss: Die Weinlandschaft der Luxemburger Moselregion bietet malerische Ausblicke. Im Spätsommer bricht dort für die Winzer die schönste und spannendste Zeit im Jahr an: die Weinlese! Zu Gast auf zwei Weingütern, bei denen Tradition auf Experimentierfreude trifft.

Überall Reben. Man hat das Gefühl, die Wein-Landschaft hört gar nicht mehr auf. Und sie alle wollen abgeerntet werden – denn die Trauben auf den sonnenverwöhnten Hängen entlang der Luxemburger Mosel sind reif. Zwischen Wasserbillig und Schengen erstreckt sich das Weinanbaugebiet. Am südlichsten Zipfel Luxemburgs, nur einen Steinwurf entfernt von der deutschen Grenze, liegt das Moseldorf Schengen, berühmt für das gleichnamige Abkommen. Die Weinfeste stehen kurz bevor. Doch bis dahin ist noch viel zu tun für die Winzer in der Moselregion.

Geschmack statt Effizienz

Für das Weingut Henri Ruppert beginnt die Lese früh am Morgen. Schon mit den ersten Sonnenstrahlen hängt die Süße der Trauben in der Luft. Doch viel Zeit fürs Naschen bleibt den Erntehelfern nicht. Stattdessen machen sich fleißige Hände über die Reben her und füllen die Bottiche mit rubinroten Beeren, die wenig später entrappt – also von ihren Stielen entfernt – werden. Sind die Trauben von den Reben in die Bottiche gewandert, tickt die Zeit. Denn sobald die Schalen der Beeren beschädigt sind, droht eine frühzeitige Gärung, die später den Alkoholgehalt der Weine erhöhen würde. Die starke Hitze der vergangenen Wochen verstärkt den Prozess. Henri Ruppert aber weiß sich zu helfen: Seine Bottiche sind so klein, dass sie nur wenige Trauben fassen. So lastet auf den unteren Beeren weniger Gewicht, wodurch die Beeren den Weg zum Weingut möglichst unbeschadet überstehen. „Effizient ist das nicht“ erklärt Nicolas Ruppert, der Neffe des Winzers. Doch Henri Ruppert macht es trotzdem. „Mein Onkel denkt nicht wie ein Buchhalter – für ihn zählt am Ende nur die Qualität der Weine“, sagt Nicolas.

Nicolas Ruppert, der Neffe des Winzers Henri Ruppert, beim ernten der roten Trauben. Fotonachweis: Gregor Lengler
Nicolas Ruppert
Winzer
„Mein Onkel denkt nicht wie ein Buchhalter – für ihn zählt am Ende nur die Qualität der Weine“
Nicolas Ruppert und sein Onkel Henri Ruppert in den Weinbergen. beide lächeln in die Kamera.
Fotonachweis: Gregor Lengler

Mit dieser Mentalität hat Henri Ruppert Erfolg, denn seine Weine haben Spitzenqualität. Das liegt auch an der sorgfältige Handlese. Ungefähr sechs Wochen dauert sie. Gelesen wird nur dann, wenn die Beeren die für die jeweiligen Weine richtige Reife haben. Als Henri Ruppert diese aufwändige Ernte eingeführt hat, haben seine Erntehelfer nur mit den Köpfen geschüttelt. „Der Pinot blanc hat dann aber eingeschlagen,“ erzählt der Winzer lächelnd. Die Lesart hat er natürlich beibehalten.

"Als hätte man die Erde aufgeklappt"

Schon am Ortseingang fällt der Blick auf das Weingut auf dem Markusberg. Entworfen wurde das moderne Gebäude von François Valentiny, einem der bekanntesten Architekten Luxemburgs. Der Neubau soll an den Steinbruch erinnern, auf dem er 2008 erbaut wurde. Henri Ruppert lässt es an einen Felsen denken, „der in den Weinberg reingefallen ist. Als hätte man die Erde aufgeklappt.“ Von der Holzterrasse aus blickt man – natürlich – auf die Mosel. Inmitten von Stühlen und Tischen ist ein Pool in den Boden eingelassen, in dem die Sonne glitzert.

Betritt man den Weinkeller, schlägt einem ein süßlich-alkoholischer Geruch entgegen. Der Kellermeister überprüft Säure und Süße des im Fass reifenden Grauburgunder. Sein Lieblingswein? Der Riesling, der hier nach besonderer Rezeptur hergestellt wird: Die Hefe kommt nicht mehr in den gärenden Wein, sondern nur noch direkt auf die Früchte, was für ein komplexeres Aroma sorgt.

Das Weingut auf dem Markusberg in Luxemburg. Ein modernes Gebäude mit einer Holzterrasse mit Blick auf die Mosel. An der Holzterrasse befindet sich ein Infinity-Pool. Fotonachweis: Gregor Lengler
Zukunftsmusik in der neunten Generation

Seit 1680 ist die Familie Ruppert im Weinbau tätig. Henri Ruppert führt das Weingut bereits in der neunten Generation. Auch wenn der Winzer viele seiner altbewährten Methoden beibehalten möchte, wird sich in Zukunft wohl Einiges tun. Ein großes Thema wird die zunehmende Hitze sein. Die warmen Temperaturen lassen die Trauben süßer werden. Henri Ruppert und sein Team tüfteln bereits daran, wie die Frische der Weine trotzdem beibehalten werden kann. Doch für dieses Jahr muss der Winzer sich keine Sorgen machen, denn die Trauben sind kerngesund und versprechen eine ausgesprochene Qualität. Nach getaner Abend darf er sich also getrost ein Glas Riesling einschenken. Die Sonne dabei noch halb im Gesicht und den Blick immer Richtung Mosel.

Frischer Wind dank Wissenschaft

Nur wenige Kilometer weiter liegt das Moseldorf Remich. Hier lebt und arbeitet die junge Winzerin Corinne Kox, die 2019 das Weingut ihrer Eltern übernommen hat. Auf dem Hof vor dem Gut stapeln sich leere Bottiche und hinter dem großen Holztor rattert und walzt die Weinpresse.

Bei den Winzern in der Region ist Corinne Kox bekannt für ihre „etwas verrückten“ Methoden. Dabei sind die gar nicht mal so aus der Luft gegriffen. Die Jungwinzerin verlässt sich vielmehr auf Jahrhunderte altes Wissen und ergänzt es mit neuesten Forschungs-Erkenntnissen: „Unsere Philosophie ist es, Tradition mit Moderne zu vereinbaren.“ Das Studium der Molekularbiologie helfe ihr, frischen Wind in das Traditionsgut zu bringen. Dafür gehe sie auch mal Wege, die vor ihr keiner gegangen sei.

Winzerin Corinne Kox steht in einer Halle, in der sich die Weinpressen befinden. Neben ihr steht ein großer Bottich gefüllt mit Trauben. Fotonachweis: Gregor Lengler
Nahaufnahme einer Weinrebe im Sonnenlicht.
Fotonachweis: Gregor Lengler

Ein Beispiel dafür sind die beiden Tongefäße, die sie im Garten hinter dem Haus vergraben hat. Nur die Deckel der 800 – Liter fassenden Amphoren ragen aus dem Boden, der Rest der aus Georgien stammenden Krüge ist tief in der Erde verbuddelt. Dort gärt der Wein, der Kvevris genannt wird. Dass die Krüge aus Georgien kommen, ist kein Zufall. Denn dort finden sich Spuren der ältesten uns bekannten Methode zur Weinherstellung. Beim Geschmack ist es ein bisschen wie mit dem Verlieben – denn: „Man muss sich schon auf ihn einlassen können,“ erklärt die Winzerin leicht grinsend.

Mit seinem vollen und reiferen Aroma ist der Kvevris auf jeden Fall untypisch für die Moselregion. Was sie am liebsten dazu isst? Etwas Deftiges, wie zum Beispiel gebratene Entenbrust. Die gibt es gut zubereitet in der hauseigenen Vinothek, in die Besucher des Weinguts schon am Eingang „stolpern“.

Seit 2019 benutzt Corinne Kox Drohnen, um Pflanzenschutzmittel über die Reben zu verteilen – und ist damit Pionierin, denn europaweit ist sie die erste Privatwinzerin, die diese Technologie nutzt. Vorteile bringe diese viele: Vor allem bei Regen drohten die Traktoren im matschigen Boden der Steilhänge immer wieder zu versinken. Und auch für den Boden sei es besser, da dieser nicht mehr länger durch die schweren Traktoren verdichtet werde. So bietet der Boden genug Sauerstoff für die Mikroorganismen, die für gesunde Trauben sorgten.

Nahaufnahme von Winzerin Corinne Kox, die gerade einen Wein testet. Fotonachweis: Gregor Lengler
Träume für die Zukunft

Zur Mittagszeit steht Corinne Kox und ihren Erntehelfern die Hitze in den Gesichtern. Reihe um Reihe arbeiten sie sich durch die Hänge, die steil nach unten abfallen. Die Luft ist warm und legt sich auf die Landschaft. Eigentlich war Regen angesagt, doch der versteckt sich noch in den wenigen Wolken am Himmel. Rufe auf Französisch, dann wieder auf Deutsch und Luxemburgisch. Im Dreiländereck begreift man sich als eine Region, die zusammengehört. Wenn die Erntehelfer sich bis nach unten vorgearbeitet haben, ist es oben still. Dann hat die Winzerin einen kurzen Moment Zeit, um über die Zukunft des Weinguts nachzudenken. Was die bringt? Auf jeden Fall neue Geschmäcker und noch ausgefeiltere Methoden. Doch darüber macht sie sich erst später wieder Gedanken. Jetzt muss sie zurück zum Weingut, um dort nach dem Rechten zu schauen.

Nicolas Ruppert, der Neffe des Winzers Henri Ruppert, beim ernten der roten Trauben.
02:59
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