FatBetty.Run
Fotonachweis: Gregor LenglerUNESCO on the run
Seit 25 Jahren gehört die Altstadt von Luxemburg mit ihren alten Quartieren und historischen Festungen zum Weltkulturerbe der UNESCO. Man kann die prunkvollen Bauwerke natürlich bei einer klassischen Führung mit Guide und buntem Fähnchen erleben – oder aber man springt in den Laufdress und joggt gemeinsam mit den Jungs und Mädels von FatBetty.Run von Wahrzeichen zu Wahrzeichen.
Luxemburg-Stadt, Donnerstagabend gegen halb sieben Uhr. Im Independent Café gegenüber der neoklassizistischen Cité judiciaire, dem Gerichtsgebäude, ist viel los. An fast allen Tischen sitzen Menschen im schwarzen Crew-Shirt mit der Aufschrift „FatBetty.Run“. Vor einer hölzernen Kiste im hinteren Teil des Cafés ist besonders viel los, gerade verstaut Simone dort ihre Tasche, während sich Vero eines der schwarzen Sporttops herausfischt. Alles, was in der nächsten Stunde nicht gebraucht wird, wird hier eingeschlossen.
Im Schankraum gehen derweil unzählige Wassergläser über den Tresen, jeder möchte sich noch mal erfrischen. Die Stimmung: locker, fröhlich, energiegeladen. Und dann gibt Yves das Startzeichen. Von einem Moment auf den anderen strömen etwa 50 Sportler aus dem Café hinaus auf die Straße und starten zu ihrem Lauf kreuz und quer durch Luxemburg-Stadt.
Seit drei Jahren machen sich die „FatBettys“ regelmäßig jeden Donnerstag ab viertel vor sieben auf den Weg. Wer jetzt an eine Gruppe übergewichtiger Hausfrauen denkt, der irrt sich. Die vier Gründer Guido, Dan, Yves und Stéphane sind das genaue Gegenteil: Athletisch, bärtig, tätowiert.
Und auch die anderen Mitglieder der Laufgruppe sind zum Großteil erfahrene Sportler, teilweise sogar Triathleten. Aber wieso dann der Name? Dan erklärt: „Der Name FatBetty kommt von einem Hügel in der Nähe der Stadt, der auf luxemburgisch „Décke Bierg“, also fat mountain heißt und den ich für mein Training hochgerannt bin. Irgendwann habe ich dabei den Song „Black Betty“ von Ram Jam gehört und so entstand die Idee von FatBetty.“
Die Bettys laufen gerne an den UNESCO Welterbestätten vorbei
Die Laufgruppe ist bunt und multikulti: Jugendliche und Rentner, Einheimische und Urlauber, Studenten und Workaholics. „Das alles spielt bei uns keine Rolle, es kann mitmachen, wer mag“, so Guido. Und Yves ergänzt: „Wir laufen etwa zehn Kilometer in einer Stunde. Das sollte man schon drauf haben, wenn man Spaß an der Sache haben will. Wir bleiben aber auch ab und an stehen, um die Gruppe zusammenzuhalten. Und es gibt immer wieder Möglichkeiten zum Abkürzen, also den Lift statt die Straße nutzen oder die Rolltreppe anstelle der Stufen. Jeder eben so, wie er kann.“
Die Strecke heute steht ganz im Zeichen der UNESCO-Welterbestätten, davon hat die Stadt nämlich jede Menge. Los geht es keine hundert Meter vom Independent Café entfernt. Direkt am Boulevard Franklin D. Roosevelt kurz hinter der Kathedrale ragt die beeindruckende Statue der „Goldenen Frau“ auf, die mit einem Lorbeerkranz in ihren Händen auf einem 21 Meter hohen Obelisk mitten auf dem Konstitutionsplatz thront. Das Monument wurde 1923 nach dem ersten Weltkrieg erbaut. Es steht für Frieden, Sieg und die Nation, die an ihre Kriegshelden erinnert.
Unter der Fahrbahn für Autos befindet sich eine vier Meter breite Hängebrücke für Radfahrer und Fußgänger, dazu gibt’s eine weite Aussicht ins Petrusstal. Laut hallen die Schritte der Läufer an den Steinbögen der Brücke wider, nur übertönt von der Techno-Musik aus Stéphanes Musikbox, die er in einem Rucksack mit sich trägt.
„Ohne die geht es nicht. Musikwünsche gerne an mich“, sagt er grinsend. „Dic“ alias Stéphane sorgt immer für gute Stimmung – und für den „little spark of madness“, den kleinen Funken Wahnsinn, der bei jedem Lauf der Truppe mitschwingt.
Im Petrusstal zieht Dan das Tempo etwas an, schließlich ist es hier ganz flach – eher eine Seltenheit in der Stadt. „Und wir brauchen Schwung, um am Ende zum Aussichtspunkt hochzukommen“, sagt er grinsend. Gesagt, getan.
Über eine kleine Brücke wechseln die Bettys nun auf die andere Flussseite und folgen dem Weg parallel zur Alzette. Von hier aus haben sie den besten Blick auf eins der absoluten Highlights von Luxemburg-Stadt: Die Kasematten. Die insgesamt 23 Kilometer langen Gänge der Befestigungsanlage reichen bis zu 40 Meter in die Tiefe. Die ersten entstanden 1644 zur Zeit der spanischen Fremdherrschaft, den eigentlichen Ausbau übernahm etwa 40 Jahre später der französische Militäringenieur und Festungsbauer Vauban.
Ein Teil der Kasematten ist für Besucher zugänglich. Vom Flussufer der Alzette aus ist der Verlauf einiger Gänge dank ihrer steinernen Fenster in der Felswand zu erahnen. Hin und wieder lugt der Kopf eines Besuchers hervor, meist mit einer Kamera vor dem Gesicht, denn von hier aus hat man einen tollen Ausblick, etwa auf die Abtei Neumünster. Das ehemalige Kloster ist heute ein Kulturzentrum, in dem regelmäßig Konzerte, Open-Air-Kino oder andere Veranstaltungen stattfinden.
Mal steil, mal eben: Die Strecken durch die Stadt sind abwechslungsreich
Für die Bettys geht es jetzt steil bergauf. Ein schmaler Pfad führt über eine kleine Brücke und dann zwischen dem Klostergarten und den Kasematten entlang hinauf zur roten Schlossbrücke. Kaum einer der Läufer hat Zeit, sich die vielen bunt blühenden Blumen, die saftigen roten Johannisbeeren und die wild wuchernden Kräuter im Klostergarten anzusehen. Alle sind damit beschäftigt, den Berg hochzukommen.
Oben wartet Yves schon auf den Rest der Gruppe. Lächelnd begrüßt er die ersten, die mit hochrotem Kopf und schwer atmend ankommen. „Ob die Gruppe motiviert ist oder nicht, hört man meist ganz gut: Wenn viel geredet wird unterwegs, dann weiß ich, da geht noch was. Und wenn es leiser wird hinter mir, weiß ich, ich hab sie ausgepowert“, erzählt er feixend.
Mühselig schleppt sich Stéphane den Weg nach oben, schwerfällig stützt er sich auf das Geländer. „Na komm, du Schauspieler!“, ruft Dan hinter ihm und schubst ihn sanft die letzten Meter den Berg hinauf. Kaum bei den anderen angekommen, scheint Stéphans Power wieder da zu sein. „Verarscht, verarscht“, lacht er und flitzt schon los, unter der roten Schlossbrücke hindurch. „Na warte“, ruft Dan und rennt ihm hinterher, dicht gefolgt vom Rest der Gruppe. „Ein wichtiger Punkt neben dem Laufen ist, dass wir uns selbst nicht zu ernst nehmen“, schmunzelt Guido. „Wir haben immer etwas zu Lachen und auch neue Leute haben sofort Spaß mit uns. Wichtig ist auch das Drumherum: Sich vorher treffen, danach noch auf ein Bierchen zusammensitzen und quatschen. Viele sehen sich auch außerhalb unseres regulären Donnerstagslaufs, so wie die beiden“, sagt er und nickt in Richtung Stéphane und Dan, die jetzt einige Meter Vorsprung haben.
Spätestens an der Standseilbahn Pfaffenthal-Kirchberg ist die Gruppe wieder zusammen – nur um sich direkt wieder aufzuteilen. Wer noch fit ist, nimmt die Straße hoch auf den Kirchberg, wem die Muskeln schon brennen, der kann sie für 63 Sekunden entspannen, denn genau so lange dauert die Fahrt mit der Bahn. Vom Bahnhof aus steuert Yves die Läufer zur letzten Station des heutigen Tages. Hoch über der Stadt hinter einem Waldstück liegt ein weithin sichtbares Bauwerk mit drei runden Türmen, Wahrzeichen des ehemaligen Fort Thüngen. Das Fort wurde 1732 von den Österreichern auf den Resten einer Vauban-Feste erbaut und rund 100 Jahre später von den Preußen erweitert. Heute ist darin das Festungsmuseum Dräi Eechelen untergebracht – ein steinernes, begehbares Zeugnis der Geschichte über und unter der Erde mit vielen Fluren, Höhlen und ausgebauten Kasematten.
Direkt dahinter erhebt sich das Mudam, das Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean. Das Gebäude des Kunstmuseums steht in einem absoluten Kontrast zum historischen Bau des Dräi Eechelen. Eine 40 Meter hohe Glaspyramide im Eingangsbereich ist sein Highlight, sie stammt vom 2019 verstorbenen Architekt Ieoh Ming Pei, der auch die berühmte Glaspyramide des Louvre in Paris designte. Yves joggt mit der Gruppe im Schlepptau über die große Wiese vor den beiden Museen auf die Überreste der alten Festungsmauern zu. „Das ist einer unserer Lieblingsplätze“, sagt er. „Der Ausblick hier ist einfach fantastisch.“
Und recht hat er. Unterhalb der Anhöhe schlängelt sich die Alzette durch die Stadt und am gegenüberliegenden Hang beginnt die historische Altstadt mit den Kasematten, der Brücke Ponte Adolphe, der Abtei Neumünster, dem Petrusstal und der Goldenen Frau. „Die Altstadt von Luxemburg ist einfach wunderschön“, schwärmt Guido. „Und beim Laufen haben wir den großen Vorteil, dass wir an Orten vorbeikommen, die man mit dem Auto nicht erreicht. Selbst Menschen, die seit Jahren in Luxemburg leben, haben mit uns völlig neue Ecken entdeckt. Je nach Jahreszeit oder Lichtverhältnissen bleibt auch uns manchmal noch die Spucke weg, weil die Stadt einfach großartig ist.“
Zustimmung findet er wohl bei all den anderen Läufer, die in kleinen Grüppchen auf der Wiese sitzen und den Ausblick genießen. Bevor es dann für alle auf die letzte Etappe geht, zurück ins Independent-Café – zu einem wohlverdienten Bierchen.
Mehr Infos unter: https://fatbetty.run/
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