Das Holzwarchetal wird aus der Drohnenperspektive abgebildet. Ein Bach schlängelt sich durch eine grüne Wiese.

Das Holzwarchetal

Fotonachweis: Jochen Tack
Wandern im Holzwarchetal

Rings um das Flüsschen Holzwarche in Ostbelgien erstreckt sich ein wunderschönes Naturschutzgebiet, ideal zum Wandern für Jung und Alt. Besonders viel Spaß macht das mit einem Führer des örtlichen Naturschutzverbands – der erzählt Urlaubern gern über Wesen und Werden der Region.

Vom erhöht laufenden Wanderweg aus ist alles gut zu sehen. Unten am Flüsschen Holzwarche lagert eine kleine Herde von Wasserbüffeln. Eins der mächtigen Tiere wälzt sich gerade genüsslich am feuchten Ufer, andere fressen Gras, dösen entspannt vor sich hin und schauen auch schon mal friedlich zu uns herauf. „Die Wasserbüffel sind hier, um bei der Landschaftspflege zu helfen – sie fressen die Sträucher weg, die sonst überhand nehmen würden“, sagt Alexander Rauw von der ostbelgischen Naturschutzorganisation Natagora/BNVS.

Eine Gruppe von vier wilden Wasserbüffeln liegt auf einer grasbewachsenen Bank an einem Bach, wo sie gerne fressen.
Fotonachweis: Jochen Tack

Alexander, der in Deutschland Landschaftsarchitektur studiert hatte und dann in seine ostbelgische Heimat zurückgekehrt ist, macht heute als Naturführer eine Wanderung mit Familienvater Jörg und dessen Töchtern Claire und Olivia. Die Kinder sind erst 3 und 5 Jahre alt, zeigen sich aber von den großen Büffeln vollkommen fasziniert. Und die Umgebung finden sie einfach nur wunderschön, schnuppern an duftenden Pflanzen, jagen bunten Schmetterlingen hinterher und blinzeln in die Sonne, die durch das teilweise dichte Blätterdach scheint.

Beim kleinen Ort Losheimergraben direkt an der deutsch-belgischen Grenze entspringt die Holzwarche auf einer Höhe von 660 Meter, fließt dann in nordwestliche Richtung und mündet in den Stausee von Bütgenbach. Ihr gesamter Lauf ist in einem relativ naturnahen Zustand erhalten geblieben. Mit Hilfe von europäischen Fördergeldern und privaten Spenden sowie durch Flächenankauf wurde hier seit 1978 ein Schutzgebiet geschaffen, das heute rund 80 Hektar umfasst – als Vorzeigeobjekt des Naturschutzvereins Natagora/BNVS (BNVS steht für Belgische Natur- und Vogelschutzgebiete) mit einer extrem vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt.

Naturführer Alexander Rauw und der kleinen Familie kommt die geleistete Arbeit heute zugute. Sie sind unterwegs auf einem bequemen, etwa 5 Kilometer langen Rundweg zwischen Rocherath und Mürringen, Start bei der Enkelberger Mühle in Büllingen. Die Route folgt in weiten Teilen dem Fluss, der allerdings nicht immer leicht zu erkennen ist, oft behindern Bäume und kleinere Pflanzen den Blick. Was nicht das geringste ausmacht, weil Alexander den Kindern und ihrem Vater sorgsam und mit Liebe zum Detail die Flora und Fauna erklärt.

Der Naturführer geht neben einem Vater, der mit seinen beiden Töchtern Händchen hält. Sie alle schauen sich die umliegende Natur an und unterhalten sich untereinander. Fotonachweis: Jochen Tack

Unglaublich, was da alles am Wegesrand wächst. Der aromatische Bärwurz zum Beispiel oder der Große Wiesenknopf, der etwas an Himbeeren erinnert und bis zu einem Meter hoch werden kann (eine Lieblingspflanze von Alexander). Die Schmalblättrigen Weidenröschen (pink) und die Rundblättrigen Glockenblumen (blau). Mädesüß, Schwarze Flockenblume, Wiesenknöterich, Blutauge und andere Arten sorgen zu verschiedenen Jahreszeiten für große Blütenpracht. Manche haben auch ihre Eigenheiten: „Der  Kleine Klappertopf etwa beißt sich gerne an den Wurzeln anderer Gräser fest und klaut ihnen die Nahrung, das nennt man dann Halbschmarotzer“, sagt Alexander. „Das ist doch gemein“, schimpft Olivia. „Aber es ist auch gut, denn dann können andere Blumen besser wachsen“, erklärt der Naturführer.

Der Oberlauf der Holzwarche dient hier als eine Art natürlicher Wasserspeicher, selbst im Hochsommer bleibt es aufgrund vieler Quellaustritte ständig feucht. Der Moorboden funktioniert dabei wie ein Schwamm, der große Wassermengen speichert. Feuchtheiden und -wiesen, Moorbirkenwälder, Niedermoore mit Wollgräsern und Moorlilien sowie Borstgrasrasen gedeihen deshalb prächtig.

Ein kleines Mädchen mit rosa Hut und Hemd und einem weißen Rock hält auf dem Naturpfad inne, um rosa Wildblumen zu untersuchen, die auf einer Bank wachsen. Fotonachweis: Jochen Tack

An manchen Talhängen ist die biologische Vielfalt außerordentlich groß, so wurden auf weniger als 2 Hektar Wiesenfläche mehr als 190 Pflanzenarten nachgewiesen, darunter etliche gefährdete Spezies.

In diesem Bild blühen Wildblumen in rosa-lila und gelb.
Fotonachweis: Jochen Tack

Besonders schön sind die Narzissenfelder, die im Frühling entlang der Holzwarche bei Rocherath leuchten. Viele Hektar Wiesenland sind dann von einem gelben Blütenteppich überzogen, eine Attraktion für Naturfreunde von nah und fern. Mitte April veranstaltet die Natagora gar ein Narzissenfest mit Pflanzentauschbörse bei der Enkelberger Mühle. In der restlichen Zeit des Jahres aber ist es im Tal eher still, wie Alexander sagt, „eigentlich noch ein kleiner Geheimtipp.“

Die Ruhe freut die artenreiche Tierwelt. Neben den Wasserbüffeln stehen Kühe auf weiten Weiden. Viele seltene Vogelarten leben im Holzwarchetal, brüten in den großen Fichtenwäldern der Region, darunter Tannenhäher, Fichtenkreuzschnabel und Raufußkauz. Die Gebirgsstelze suchen nach Insekten am Fluss, Eisvögel gehen auf die Jagd nach kleinen Fischen.

Alexander hat während der Wanderung stets ein Schmetterlingsnetz dabei. Plötzlich springt er ein paar schnelle Schritte nach vorn, schwingt das Netz wie ein Jedi-Ritter durch die Luft, schon ist ein seltener Schmetterling gefangen. Ein leeres Einmachglas dient als Okular, so lässt sich der kleine Falter in Ruhe betrachten, ohne dass er dabei verletzt würde. Dann wird er wieder in die Freiheit entlassen. „Schmetterlinge sind ein guter Indikator für den Zustand der Natur“, sagt der Naturführer, „hier im Tal leben besonders seltene Arten.“ Die Kinder sind hingerissen, es ist ein ganz besonderes Erlebnis für sie.

Im Hintergrund ist ein kleines Mädchen zu sehen, das ehrfürchtig einen Schmetterling betrachtet, der in einem Glasgefäß zur Beobachtung im Vordergrund gefangen ist. Fotonachweis: Jochen Tack

In einer Schutzhütte am tiefsten Punkt des Tals wird dann Rast gemacht, von der Brücke über den schmalen Fluss lassen sich gut die Fische im Wasser beobachten. Nun beginnt der Rückweg, über Schotterpfade hinauf zu einem Höhenzug mit schönem Blick über das Tal, dann vorbei an knorrigen Bäumen und Weiden, auf denen Kühe stehen.

Alexander Rauw
Naturschutzorganisation Natagora/BNVS
"Es ist eine große Freude, einfach nur mit dem Rad zu fahren, die Ruhe und die Landschaft zu genießen."
Ein Mann mit einer braunen Mütze und einem Hemd mit der Aufschrift "J'aime la nature" gestikuliert, während er über die Wildnis der Gegend spricht. An seinem Hals hängt eine Kamera.
Fotonachweis: Jochen Tack

Olivia möchte unbedingt ein Selfie von sich und einem der großen Tiere, bricht das Vorhaben aber als allzu gewagt ab. Der letzte Abschnitt führt durch dunklen Wald, vorbei an einigen Ferien-Chalets, ein letztes Mal wird die Holzwarche überquert, dann ist die Rundtour zu Ende. Papa und die Kinder sind ein wenig erschöpft, aber glücklich.

Ein Mann hält seine beiden kleinen Töchter an den Händen, während sie neben einem Naturführer spazieren gehen. Der Weg ist breit und kieselig, die umgebende Natur und die Bäume sind grün.
Fotonachweis: Jochen Tack

„Ich mag die Abwechslung hier, den Kontakt mit den Menschen“, nennt Alexander als Grund, warum er seinen Job so liebt. „Aber es ist auch eine große Freude, einfach nur mit dem Rad zu fahren, die Ruhe und die Landschaft zu genießen. Und zwar zu allen Jahreszeiten, die hier noch sehr ausgeprägt sind.“ Während des Sommers findet man im Tal Abkühlung. Der Herbst ist zwar kein Indian Summer, bietet aber ebenfalls eine leuchtende Farbenpracht, und im Winter sind locker 50 Zentimeter Schnee samt Schneeverwehungen drin. „Besonders spektakulär aber ist der Frühling“, sagt Alexander, „wenn alles kreucht und fleucht – dann ist das Holzwarchetal mit seinem Blütenteppich voller Narzissen ein echter Traum.“

Mehr Infos:

Zum Naturschutzverband Natagora: http://www.natagora-bnvs.be/

Zu Frühling in Ostbelgien: https://www.ostbelgien.eu/de/erleben/entdecken/typisch-ostbelgien/narzissenbluete

Ein kleines Mädchen mit rosa Hut und Hemd und einem weißen Rock hält auf dem Naturpfad inne, um rosa Wildblumen zu untersuchen, die auf einer Bank wachsen.
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