Sterneküche in Saarbrücken
Fotonachweis: Oliver RaatzEin neuer Stern im Saarland
Silio Del Fabro hat sich im „Esplanade“ seinen ersten Michelin-Stern erkocht – und ist trotzdem der sympathische Saarbrücker Junge von nebenan geblieben.
Silio Del Fabro legt gerade kleine, frische Gurken ein. Die kommen – um es mal stark verkürzt zu beschreiben – in ein großes Glas mit einem heißen, würzigen Essig-Zucker-Sud. Nebenbei gibt der Küchenchef des Restaurants „Esplanade“ in ruhigem Ton Anweisungen an sein Küchenteam und erzählt uns von seiner Kochphilosophie: „Ich reduziere stark, versuche, nicht zu viele Geschmäcker zu vermischen. Wir kochen hier sehr klassisch, aber oft mit einem leicht mediterranen oder asiatischen Einschlag.“ Was am Ende zählt, ist die Qualität des Produktes, davon ist der Spitzenkoch fest überzeugt. Deshalb ist ihm Regionalität sehr wichtig. 90 Prozent der Lebensmittel fürs Hotel kommen aus Saarbrücken und Umgebung. Jetzt im Sommer legt Del Fabro deshalb ganz viel frisches Gemüse für später ein.
Bodenständig, aber mit viel Liebe zum Detail
Den Stern erwähnt er gar nicht. Darauf muss man ihn schon ansprechen. „Ach“, meint Silio Del Fabro und lacht, „das ist ja immer eine komische Selbstbeweihräucherung, wenn man davon selbst anfängt.“ Der 33-Jährige, derzeit der Shootingstar der Saarbrücker Gourmetszene, ist angenehm normal geblieben, trotz des Rummels, den man um ihn macht. Seit 2019 hat das Restaurant „Esplanade“ im Viertel Nauwies einen Michelin-Stern. Und gerade war Del Fabro Koch des Monats im Feinschmecker. Freut ihn alles, macht ihn auch stolz, aber er bleibt auf sympathische Art und Weise der Saarbrücker Junge von nebenan – in der saarländischen Metropole ist er aufgewachsen, hier ist er zu Hause. Die Mutter ist Deutsche, der Vater kommt aus dem Friaul. Bodenständig wirkt dieser Mann, fröhlich und ziemlich tiefenentspannt in der Küche.
Dort arbeitet auch Jessica mit, Küchenmeisterin und Silios Frau. Die beiden haben einen kleinen Jungen zusammen. Und Del Fabro sagt: „Unser Beruf erfordert ganz viel Leidenschaft und Hingabe. Aber ich liebe auch meine Familie sehr und weiß, dass ich Arbeit und Privatleben irgendwie im Gleichgewicht halten muss.“ Darin sieht er eine große Herausforderung, denn eins ohne das andere würde ihn nicht glücklich machen.
Nachhaltig angebautes Gemüse vom Stadtbauernhof
Seit 2017 ist Del Fabro Küchenchef im „Esplanade“. Seine Lehre hat er in Saarbrücken gemacht, später unter anderem bei Sternekoch Heinz Winkler im Chiemgau und zuletzt als Souschef bei Klaus Erfort in Saarbrücken gearbeitet. Wir sitzen, nachdem das Mittagsgeschäft abgeschlossen ist, im Restaurant mit den großen tiefen Fenstern und dem Holzboden. Dort dominieren gedeckte Töne – anthrazit an den Wänden, dunkles Holz die Tische, grün und rot die Samtstühle. Del Fabro erzählt, wie Gerichte entstehen („wichtig ist eine Mischung aus Erfahrung, Kreativität und einem ständigen Sich-Weiterentwickeln im Team“), wie sehr es ab einem gewissen Punkt fast nur noch um Nuancen geht („wenn der Gelpunkt nicht die perfekte Form eines Zwiebeldachs hat, so, wie ich mir das vorstelle, dann macht mich das verrückt, dann kann ich den Teller nicht rausschicken!“) und wie toll die Zusammenarbeit mit dem Stadtbauernhof in Saarbrücken klappt, einem Betrieb der solidarischen Landwirtschaft. Mit dem Agraringenieur Jörg Böhmer arbeitet Silio Del Fabro eng zusammen. Der Gourmetkoch sagt: „Die Qualität, die ich beim Stadtbauernhof bekomme, könnte besser nicht sein. Mit Jörg gehe ich jedes Jahr die Saatgut-Kataloge durch, wir planen viel gemeinsam.“
Heimische Sorten, bunte Felder
Die beiden sind ein eingespieltes Team. Wenn Silio mit Jörg draußen in den wilden Feldern steht und über die Unterschiede zwischen roter und gelber Beete und den Kräuteranbau philosophiert, dann merkt man aber auch: Dieser Mann hat wirklich unglaublich viel Spaß an seinem Job. Und er interessiert sich für heimische Sorten ebenso sehr wie für seine Mitmenschen. Der Junge von nebenan ist er wirklich geblieben. Stapft durch die Gemüsereihen, blödelt mit Jörg, probiert hier, kostet da. Man würde sich nicht wundern, wenn die zwei großen Jungs hier zwischendurch eine Runde kicken gehen würden.
Eine Sauce, vier Tage
Dafür ist die Zeit in Silio del Farblos Leben dann aber doch mittlerweile meist zu knapp. Das „Esplanade“ hat mittags und abends geöffnet. Del Fabro muss zurück in die Küche. Auf dem Speiseplan steht heute:
Als Vorspeise eine Dorade Royal als Tatar und als geflammte Variante mit eingelegtem Gemüse vom Stadtbauernhof. Und im Hauptgang Ente mit einer Koriander-Gewürzkruste, Roter Beete, Sellerie und einer Purple Curry Jus. Die Vorspeise ist mit den vielen Blüten, die Del Fabro liebevoll und detailverliebt auf dem Teller anrichtet, schon alleine für die Augen ein Gedicht – und sie schmeckt auch so.
Das Selleriepüree, das zur Ente serviert wird, zergeht auf der Zunge und schmeckt so intensiv, dass wir uns fragen, wie man das je mit so einer Knolle hinbekommen soll. Und den fleischig-aromatischen Geschmack der dunkelroten Sauce beim Hauptgang werden wir so schnell nicht vergessen.
Aber als wir ganz naiv fragen, wie man das für zu Hause wohl mal eben nachmachen könnte, wird der Saarbrücker Junge zum ersten Mal ernst und wir lauschen den Worten eines Sternekochs, der weiß, was er kann:
„Das müsst Ihr euch leider aus dem Kopf schlagen. Das ist echt kompliziert, man braucht sehr viel Erfahrung, und es dauert auch mindestens vier Tage, bis so eine Sauce fertig ist.“ Jaja, okay, wir haben’s verstanden: Man braucht dafür ganz viel Leidenschaft, Kreativität, Liebe zum Detail und Hingabe. Wir kommen also lieber bald einmal wieder und setzen uns an den gedeckten Tisch.
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