Famenne-Ardenne (Provinz Luxemburg)

Fotonachweis: Gregor Lengler
Oldtimer-Tour von Marche-en-Famenne nach Durbuy

Ein knallroter alter englischer Roadster, die zauberhafte Ardennen-Landschaft und einige der schönsten Ortschaften Belgiens: Beste Zutaten für einen Ausflug der besonderen Art. Bericht über Eigenheiten ehrwürdiger Sportwagentechnik, die Vorzüge des beschaulichen Reisens und eine Liebeserklärung an die kleinste Stadt der Wallonie

Der Auspuff röhrt, die Scheiben klappern. Unser knallroter, zweisitziger Oldtimer holpert durch die schmalen Kopfsteinpflaster-Gassen von Marche-en-Famenne, zauberhafte 18.000-Einwohner-Stadt in der belgischen Provinz Luxemburg gut 50 Kilometer südlich von Lüttich gelegen. Das Hotel Quartier Latin in der ruhigen Altstadt, wo wir den Wagen übernommen haben, bleibt zurück – der herrschaftliche rote Backsteinbau mit schönen Zimmern und Spa-Bereich sowie mehrstöckigem Restaurant in der angeschlossenen ehemaligen Jesuiten-Kirche aus dem 18. Jahrhundert ist ein guter Ort zum Verweilen. Jetzt aber steht uns der Sinn nach Aufbruch und Abenteuer.

Fotonachweis: Gregor Lengler
Fotonachweis: Gregor Lengler

Im zweitägigen Übernachtungspaket ist unser Leih-Oldtimer enthalten. Es ist ein Roadster vom Typ MGB, unterm Dach der British Motor Corporation (kurz BMC, baute u.a. auch den legendären Mini) ab 1962 im englischen Longbridge produziert; 1980 wurde der Verkauf eingestellt. Auf dem Beifahrersitz liegt ein Fahrtenbuch, ein erstklassiges Roadbook, das den Streckenverlauf beschreibt. Man hat die Wahl zwischen verschiedenen Routen hier in der Provinz Luxemburg, jede Kreuzung und Gabelung ist akkurat mit Zeichen und Entfernungsangaben beschrieben. Wir haben zudem eine klassische Straßenkarte an Bord, wollen auch eigene Wege gehen.

Die Abmessungen des kleinen, hervorragend erhaltenen Flitzers sind genau richtig für die engen Straßen von March-en-Famenne. Vier Gänge, Schalter für die nötigsten Funktionen wie Licht und Scheibenwischer, mehr Bedienelemente gibt’s nicht. Das Lenken ist mangels Servohilfe echte Arbeit, genau wie das Kuppeln und Schalten. Macht nichts, man gewöhnt sich bald daran, und schnelle Fahrt ist sowieso nicht angesagt auf dieser Tour – die schöne Landschaft und die urigen Orte, die vor uns liegen, wollen vielmehr mit Genuss und in Ruhe erkundet werden.

Ohne Eile über die Landstraße, das niedrige Tempo entspannt

Der 1,8-Liter-Vierzylinder mit immerhin 95 PS singt sein Lied, geruhsam geht es dahin. Die weißen Ledersitze sind bequem eingesessen, im schmalen Fußraum lassen sich die Beine erstaunlich weit ausstrecken. Bald bleibt der Ort zurück, entspannt zuckeln wir über die Landstraße, Verkehr Fehlanzeige. Mit Tempo 50 geht es durch kleine Dörfer, man mag auch auf freier Strecke kaum schneller fahren, zumal die Schlaglöcher gut spürbar sind. Der Fahrtwind zaust das Haar, die niedrige Geschwindigkeit entspannt, Hektik oder Stau sind hier Fremdworte. Der rote Oldie wirkt wie eine Zeitmaschine in vergangene Tage, als die Welt noch behäbiger war und das iPhone ein Vorhaben künftiger Generationen.

Fotonachweis: Gregor Lengler

Die Landschaft links und rechts der Straße ist hügelig und voller Wiesen und Wälder, von den Weiden äugen Kühe friedlich zu uns herüber. Immer wieder eröffnen sich hinter Biegungen oder Kuppen tolle Blicke über das nächste grüne Tal. Stille Dörfer liegen am Pistenrand, alle sehr hübsch mit ihren Steinhäusern und gepflegten Gärten. Wie etwa das kleine Wéris, als Mitglied der Organisation Les Plus Beaux Villages de Wallonie wohl eine der reizvollsten Ortschaften ganz Belgiens. Im Zentrum inmitten einer großen Grünanlage liegt die romanische Kirche der heiligen Walburga, im 11. Jahrhundert aus Kalk- und Sandstein erbaut, der Grundriss ist typisch für die Architektur dieser Region. Seit 1938 steht der Sakralbau unter Denkmalschutz. Das wahre Highlight von Wéris aber wartet ein Stück weit außerhalb.

Fotonachweis: Gregor Lengler
Fotonachweis: Gregor Lengler

Am Rand des Dorfes erstreckt sich eine der wichtigsten Megalithanlagen des Landes. Wir halten an, außer uns sind noch einige weitere Besucher vor Ort. Es ist ein mystischer Moment, unwillkürlich reden alle mit leiserer Stimme. Als Megalithe bezeichnet die Archäologie große, meist unbehauene Steinblöcke, die aufrecht in unterschiedlicher Anordnung stehen und deren einstige Bedeutung oft unbekannt ist. Bisweilen mögen sie etwa als Gräber oder für religiöse Zwecke, andere für astronomische Berechnungen gedient haben. Wegen der Größe der Steine glaubten die Menschen früher, dass sie von Riesen oder Hünen aufgestellt wurden. Wir aber klettern bald in unseren kleinen Roadster und cruisen entspannt weiter.

Das kleine Durbuy ist ein Städtchen mit Romantik-Garantie

Der Tag geht geruhsam dahin, durchs offene Verdeck scheint uns die Sonne aufs Haupt, längst findet Entschleunigung statt. Dann ist der letzte Stopp für heute erreicht. Unser MGB holpert nach Durbuy hinein, in einer Schleife des Flusses Ourthe gelegen und mit nur 400 Einwohnern die kleinste und sicher eine der schönsten Städte der Wallonie. Innerhalb der Mauern, die dem Ort einst Stadtrecht bescherten, mäandert ein Labyrinth schmaler Gassen, eine davon ausschließlich mit Flusskieseln gepflastert. Aus Restaurants duftet es verführerisch, die lokale Küche ist für köstliche Krebse bekannt. Durbuy wird alljährlich von Tausenden Touristen besucht, ist und bleibt dabei aber ein charmantes Städtchen mit Romantik-Garantie.

Das grüne Umfeld trägt zweifellos dazu bei. Der Parc des Topiaires etwa, mit seinen Alleen und Beeten auf einer Fläche von 10.000 m² größter öffentlichen Formbaumpark der Welt. Aus kunstvoll beschnittenen Buchsbäumen, Eiben und Stechpalmen wurden hier liebevoll 250 verschiedene Skulpturen zurechtgestutzt, vom riesigen Elefanten über Krokodile und Hirsche bis hin zum Manneken Pis, Wahrzeichen der Hauptstadt Brüssel. Zu Durbuys Attraktionen zählt außerdem die Roche à la Falize, eine 300 Millionen Jahre alte Felsformation, auch Antiklinale genannt und mit bequemen Sitzbänken am nahen Flüsschen ein vorzüglicher Ort zum Innehalten und Verweilen.

Wem es nun allzu beschaulich wird, kein Problem, man kann ja dem Vergnügungspark Adventure Valley einen Besuch abstatten: Hochseilgarten, Höhlenlabyrinth und weitere Attraktionen sorgen für Adrenalinschübe. Und die freundliche Deborah Rousseau vom Tourismusbüro erklärt, warum sich das schöne Durbuys in der lieblichen Wallonie keineswegs der Neuzeit verschließt. So lässt sich seit kurzem an der Rezeption des History & Art Museum ein Audioguide ausleihen, als zeitgemäße Form einer Stadtführung. Dabei erfahren wir an 13 sehenswerten Orten auf bequeme Weise alles über Wesen und Werden dieser besonderen Ortschaft, bevor wir unseren knallroten Roadster entern und in gemütlichem Tempo die Heimfahrt antreten.

www.quartier-latin.be

Fotonachweis: Gregor Lengler
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