Landschaftsaufnahme. Im warmen Licht der Sommersonne sieht man in einiger Entfernung die Festungsmauern von Montmedy

Ludwig XIV. und sein Lieblingsfestungsbauer

Fotonachweis: Oliver Raatz
Longwy und Montmédy

Wie Sébastien Le Prestre de Vauban aus Frankreich einst ein wahres Bollwerk machte und den Festungsbau dabei fast zur Kunst erhob.

Auf Gemälden sieht er meistens nachdenklich aus, als sinniere er über ein architektonisches Problem, als wiege er das Pro und Contra einer zusätzlichen Mauer ab oder die Breite eines Verteidigungsgrabens. Gut möglich, dass Sébastien Le Prestre de Vauban die Stunden bei den Porträtmalern zum Nachdenken nutzte, genug zu tun hatte er jedenfalls: Innerhalb weniger Jahrzehnte machte der berühmteste Militärarchitekt im Dienste Ludwigs XIV. Frankreichs Grenzen zum Bollwerk. Über 160 Festungen ließ der rast- und ruhelose Perfektionist aus-, um- oder gleich komplett neu bauen. Viele sind erhalten, in Lothringen prägen sie bis heute das Gesicht von Land und Städten. Andere Herrscher hatten Lieblingsgeneräle und Lieblingsbeamte und bestimmt auch Lieblingsköche, der Sonnenkönig aber hatte einen Lieblingsfestungsbauer. Der Sonnenkönig hatte Vauban.

Majestätische Gelassenheit

Longwy an einem Spätsommermorgen, das Laub der Bäume noch grün, der Himmel kobaltfarben, die Mauern der befestigten Oberstadt leuchten warm im Licht der Sonne. „Als ob er auch das noch so geplant hätte“, meint Gilles Warnimont. Der Stadtführer hat sich auf Vaubans architektonisches Erbe spezialisiert und könnte seine Gäste jetzt mit einer Kanonade an Details befeuern, aber stattdessen lässt er sie erst einmal nur die Mauern bewundern. Beim Stichwort Befestigungsanlagen denkt man ja immer an trutzige Wälle und grobes Steinwerk – Vaubans Anlagen aber strahlen eine majestätische Gelassenheit aus. Falls man das bei zwanzig Meter hoch gesetzten Steinen so sagen kann.

Als Longwy 1679 an Frankreich fiel – zuvor gehörte es abwechselnd diversen Grafen und Herzögen – hat Vauban die Stadt innerhalb dieser Mauern komplett neu arrangiert. Im Zentrum ließ er einen großen Paradeplatz anlegen (der heutige Place Darche mit dem Office de Tourisme), um ihn herum wurden die Straßen schachbrettartig geplant. „Das kleine Longwy bekam dadurch einen fast großstädtischen Charakter“, erzählt Warnimont, „war aber gleichzeitig geschützt wie ein Bollwerk“. Ein Drittel der historischen Anlagen ist bis heute erhalten; zusammen mit elf anderen Vauban-Festungen gehört die Zitadelle von Longwy zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wo früher französische Soldaten patrouillierten, sitzen heute junge Leute und trinken Kaffee. Auf den Rasenflächen trainieren die Schüler des Gymnasiums Staffellauf.

Drei Menschen betreten durch das Tor das Innere der Festungsanlage Fotonachweis: Oliver Raatz
Vauban als Eroberer

Seinen Aufstieg zum obersten Festungsarchitekten im damals mächtigsten Staat Europas verdankte Vauban vor allem seinem Talent als – Festungseroberer. Bevor die Städte in der Grenzregion zu Belgien, Luxemburg und dem Reich nach seinen Plänen aufgerüstet wurden, hatte Vauban sie nämlich selbst erobert, 53 Mal gelang ihm das mit der französischen Armee (offenbar war er immer ganz vorne mit dabei, anders lassen sich seine acht Verwundungen kaum erklären). Weil er anschließend genau wusste, wo die Schwachstellen einer Zitadelle lagen, konnte er sie bei deren Um- und Ausbau beseitigen. Und weil der Sonnenkönig etliche Male vor Ort war und Zeuge von Vaubans Fleiß und Geschick wurde, beförderte er ihn zum Generalkommissar aller französischen Festungen.

Die Festung von Montmédy

Auch das Städtchen Montmédy haben Ludwig XIV. und Vauban zusammen belagert, 1657 war das, der König war damals 19, Vauban 24 Jahre alt. Über zwei Jahrzehnte später (und noch einmal weitere zwanzig Jahre danach) entstand bei Umbauarbeiten dann jene Anlage, die heute hoch oben auf ihrem Hügel über das Land zu wachen scheint.

Von allen Festungsanlagen, mit denen Vauban die Grenzen Frankreichs im Osten sicherte, ist die von Montmédy vielleicht die typischste. Die gezackten Ecken der Mauern, die pfeilförmigen Vorsprünge, die – ja, doch: Eleganz der Wälle, all das lässt die Zitadelle mit ihrer harmonischen Geometrie beinahe wie ein Kunstwerk wirken, das in die pastorale Landschaft Lothringens gesetzt wurde.

Besucher können die Anlage auf eigene Faust erkunden oder sich Pauline Villard anschließen. Die Festungsführerin kennt jeden Winkel der Anlage, die so weitläufig ist, dass man selbst nach mehreren Stunden noch immer Ecken entdeckt, die man bisher übersehen hatte. Und Montmédy ist nur eine von vielen Zitadellen. Villard erzählt, das Vauban einen Großteil des Jahres damit verbrachte, seine Anlagen im Festungsgürtel um Frankreich zu inspizieren. „Wir wissen, dass er allein im Jahr 1681 über 7.500 Kilometer zwischen den Festungen zurückgelegt hat“, meint Villard. „Es gibt Baustellen, da ist er tatsächlich siebzehn mal aufgetaucht, um den Fortschritt der Arbeiten zu überwachen.“

Die Gästeführerin steht mit ihren zwei Besuchern auf der Festungsmauer. Alle drei lassen den Blick über die Festungsanlage schweifen. Fotonachweis: Oliver Raatz

Sébastien Le Prestre de Vauban starb 1707 mit 73 Jahren. In den letzten Monaten seines Lebens hat er sich weniger Gedanken um Festungen als um Gerechtigkeit gemacht. In seiner Abhandlung Projet d’une dîme royale (Projekt eines königlichen Zehnten) schlug er eine Steuerreform vor, die Frankreichs Adel zu Abgaben verpflichtet und die leidende Landbevölkerung erleichtert  hätte. Beim Sonnenkönig fiel Vauban deshalb in Ungnade. Das letzte Porträt aber, das von ihm gemalt wurde, zeigt einen entspannt lächelnden älteren Herrn.

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