Kunstmuseum mudia

Fotonachweis: Andreas Weise
Kultur zum Anfassen für die ganze Familie

In großen Gemälden werden Fabelwesen durch leichtes Antippen zum Leben erweckt. Tänzerinnen wiegen sich in ihrem Bilderrahmen, Werke großer Meister erhalten durch Düfte und Klang ein ganz neues Gesicht. In diesem Kunstmuseum in der Wallonie ist vieles ganz anders als in anderen großen Ausstellungen der Welt. Jeder Raum bietet interaktive Überraschungen und multimediale Attraktionen für die Besucher, anfassen und mitmachen ist ausdrücklich erwünscht – auch und gerade für Kinder und Jugendliche!

Vater, Mutter und Kind, sie alle sind vollkommen fasziniert. Gebannt verharrt die Familie vor einer multimedialen Projektion, angelehnt an das berühmte Gemälde „Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch (ca. 1450–1516), das im Original als Triptychon um 1500 entstand, die Schöpfungsgeschichte von Garten Eden bis Hölle darstellt und sich heute in Madrids Museo del Prado befindet. Hier im belgischen Kunstmuseum mudia gebärdet sich der Ableger des Werks geradezu unberechenbar und wild: Mit einem Fingertipp lässt es sich zum Leben erwecken! Den Besuchern bleibt nur noch das Staunen.

Fotonachweis: Andreas Weise

Einmal den Himmelsreiter in der linken oberen Ecke des Bildes berührt, schon fängt das Fabelwesen Feuer und explodiert. Von Wut oder Angst erfüllten Menschen dringt beim Antippen Rauch aus den Ohren. Im Wasser tummeln sich monströse Ungeheuer. Die Figuren des eigenwilligen Renaissance-Malers erhalten so eine vollkommen neue Magie. Der können sich auch junge Besucher nicht entziehen – und genau darum geht es den Machern dieses didaktischen Ausstellungshauses, das unter dem Motto „Kunst Anders Erleben“ firmiert.

Fotonachweis: Andreas Weise

Das Kunstmuseum mudia liegt im wallonischen 400-Einwohner-Ort Redu im südlichen Belgien, der auch als „Bücher-Dorf“ bekannt ist. Buchhandlungen gibt es an jeder Ecke, in einem Antiquariat träumt eine Heidelberg-Druckmaschine vor sich hin, das ganze Jahr über werden Events wie Büchernächte und Flohmärkte organisiert. In Redus altem Pfarrhaus wartet dagegen die Avantgarde. Der weitgereiste Kunstliebhaber Éric Noulet hat das Anwesen als Kunsthaus und sozusagen als Gegenentwurf zu etablierten Einrichtungen umgebaut. Sein Ziel: Den Begriff Museum zu entstauben – anders als Louvre & Co will das mudia Kultur nahbar präsentieren, Menschen begeistern, die sonst wenig dafür erreichbar sind. Und schnell wird klar: Der philanthropische Ansatz ist tadellos umgesetzt.

In diesem Museum wird Kunst der Jugend näher gebracht

„Wir sind ein multimediales, interaktives Museum, in dem der Besucher Kunst anfassen, spielerisch mit ihr interagieren kann“, sagt Manager Tanguy Henrard. Dabei werden nicht nur Erwachsene, sondern auch und vor allem Jugendliche und Kinder angesprochen. Das sieht man schon an den Öffnungszeiten: Während das markante Natursteinhaus mit Schieferdach normalerweise nur an Wochenenden und Feiertagen Zutritt gewährt, sind die Tore während der belgischen Schulferien an sieben Tagen pro Woche geöffnet. So haben die Kids alle Möglichkeiten, auf ungewöhnliche Art und Weise mit hoher Kultur Kontakt aufzunehmen.

Auf vier Etagen warten in 20 Räumen mit 1000 m² Fläche mehr als 60 Attraktionen und 300 Exponate auf Neugierige. Dargestellt werden nahezu sieben Jahrhunderte Kunstgeschichte, vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Viele berühmte Kreative sind hier mit originalen Werken aus belgischen und internationalen Privatsammlungen vertreten: Véronèse, Brueghel, Rodin, Spilliart, Wouters, Picasso, Modigliani, Giacometti, Magritte, Hergé, ein Who-is-Who der großen Meister. Das Besondere dabei ist die Form der Präsentation. Neben Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen, Fotos und Karikaturen gibt es auch Filme, digitale Angebote, Spiele und andere Herausforderungen. Langeweile hat hier nicht den Hauch einer Chance.

Fotonachweis: Andreas Weise
Mit Punkten und Pixeln lässt sich ein eigenes Gemälde gestalten

Beim Bummel durch die 20 Räume werden Emotionen geweckt, alle Sinne bedient. Interaktive Displays helfen, einzelne Meisterwerke zu analysieren und zu verstehen. Bilder werden durch Klanginstallationen oder angenehme Düfte flankiert, erhalten so eine neue, modernere Dimension. Im Pointillismus lässt sich mittels Punkten und Pixeln auf dem Tablett ein impressionistisches Gemälde selber gestalten. Vor einer Animation der „Zwei Tänzerinnen“ von Degas können biegsame Besucher die Bewegungen der Grazien im Bild nachvollziehen. Überall warten Überraschungen, hier eine überlebensgroße Marilyn Monroe, dort als Elvis verkleidete Gummienten oder mystische Skulpturen im grünen Museumspark.

Woher der Name mudia des Kunsthauses stammt? So heißt ein Mädchen, das den Besuchern auf Schritt und Tritt begegnet. Im Museumskino zum Beispiel, wo die kleine Mudia als Comicfigur im Film lustige Fabelwesen trifft und mit denen über einen Kunstfluss schippert. Oder im Audio-Guide, der am Eingang ausleihbar ist und das Haus in Form eines Dialogs zwischen Mudia und einer virtuellen Führerin präsentiert. Meist stellt das Mädchen Fragen zu einzelnen Werken, zum Beispiel, warum in Brueghels Winterlandschaft ein Stall und die Heilgen Drei Könige auftauchen (Antwort: Weil Jesus allgegenwärtig ist, auch in einem kleinen belgischen Dorf).

Klar, dass vor allem Kinder und Jugendliche die kleine Mudia schnell liebgewinnen. Und manchmal kann in diesem Kunstmuseum im malerischen Bücherdorf auch ein kleines Wunder geschehen: Dass junge wie alte Menschen, die wohl nie den Louvre oder das Museo del Prado beträten, Herz und Sinne weit öffnen – für die magische Welt der Kunst und die großen Meisterwerke der Szene.

www.mudia.be

Fotonachweis: Andreas Weise
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