Schengen und François Valentiny
Fotonachweis: Oliver Raatz„Um Grenzen haben wir uns nie geschert!“
Der Schengener Stararchitekt François Valentiny arbeitet international – und doch hat ihn seine Heimat im Dreiländereck stark geprägt. In den Orten an der Mosel kann man die Handschrift des Bau-Künstlers überall entziffern. Grenzenlose Ästhetik.
„Wenn man baut, muss man sich mit der Landschaft auseinandersetzen. Mit der Sonne, mit der Kultur und mit den Menschen“, findet François Valentiny. Der Luxemburger Stararchitekt hat die ersten zehn Lebensjahre in Remerschen verbracht. Remerschen ist ein Teilort von Schengen im Dreiländereck zwischen Luxemburg, Deutschland und Frankreich. Hier an der Mosel, genauer: in einem Schiff auf der Mosel, wurde 1985 zwischen Weinbergen das berühmte Schengener Übereinkommen unterzeichnet, das längst ein Symbol für offene Grenzen in Europa geworden ist.
Wie steht man als Luxemburger aus Schengen zu Grenzen? Valentiny lacht: „Wir leben in einem kleinen Land, überall sind Grenzen – wenn ich mit dem Auto fahre und telefoniere, dann wechselt andauernd mein Mobilnetz. Andererseits haben wir uns hier nie sonderlich um Grenzen geschert. Viele Moselwinzer haben Weinberge in allen drei Ländern. Und es gibt Familien, die über die Grenzen hinweg zerstreut sind.“ Mit dem Schengener Abkommen ist Valentiny dennoch eng verbandelt, zumindest im Nachhinein – er hat nämlich das Europäische Museum unten an der Mosel entworfen, das sich mit dem Abkommen und den offenen Grenzen in Europa beschäftigt.
Tiefe und Seele durch Moselsand-Putz
Wer die multimediale Ausstellung im Museum besuchen möchte, der bleibt erst einmal vor einem sehr schlichten Quaderbau stehen, dessen Eingang wie ein großes Fenster zur Welt aussieht. Der grobe, beige Putz irritiert ein wenig, sieht auf den ersten Blick schmutzig aus. Aber „Schmutz“ trifft es nicht. Es ist eher verarbeitete Heimat-Erde und Heimat-Erbe. Architekt Valentiny hat quasi den Schengener Putz erfunden – er mischt ihm Moselsand bei. Die Spuren der Zeit sichtbar machen, Prozesse der Verwitterung beim Holz und an der Fassade zulassen, das findet Valentiny wichtig. Er sagt: „In ärmlichen, ländlichen Gegenden hat man die Häuser immer nur verputzt, nie gestrichen. Für mich hat das viel mehr Tiefe und Seele, als ein synthetischer Anstrich. Aber klar, neu sieht das schon zur Einweihung eines Gebäudes nicht mehr aus.“
„Füllt eure Schubladen in jungen Jahren!“
Es macht Spaß, in der lichten, offenen „Foundation Valentiny“ den oft skulpturalen Entwürfen dieses Luxemburgers auf die Spur zu kommen, der über sich sagt: „Manchmal entwerfe ich ein Gebäude und merke erst hinterher, dass ich genau das schon vor 20 Jahren skizziert habe – quasi 1:1.“ Ist das unheimlich?
Francois Valentiny glaubt, dass man in jungen Jahren seine Schubladen mit Ideen und Kreativität „füllen muss“. Später gehe es dann nur noch ums Ordnen und Umsetzen, meint er. Und darum, seine Lebenserfahrung einfließen zu lassen. Auch bei ihm war das so: „Die Weinlandschaft, die Mosel, die Menschen, die hier meist durch Handwerk ihr Geld verdienten – das alles hat mich stark geprägt. Meine Bezugspunkte sind immer die gleichen geblieben. Auch wenn ich im Lauf der Jahre eine neue Formensprache entwickelt habe, so ist das doch alles stark von dem beeinflusst, was ich früher hier in Luxemburg erlebt und gesehen habe.“
Sich Grenzen bewusst machen und sie immer wieder überschreiten
An seinem Heimatland Luxemburg schätzt Francois Valentiny die Einflüsse, die die Heimkehrer mitbringen. „Das ist unser intellektueller Reichtum, dass die meisten jungen Leute erst einmal woandershin gehen, um zu studieren, um die Welt zu sehen. Dann kommen sie mit ganz neuen Erfahrungen zurück und können auf das, was sie hier als Kinder und Jugendliche erfahren haben, aufbauen.“ Für Valentiny gehörte dazu neben der Mosel, den einfachen Handwerksleuten und dem Wein auch das Thema Grenzen – sich diese bewusst machen und sie immer wieder überschreiten. Die echten draußen; und auch die im Kopf.
Valentinys Werke an der Mosel
In der Valentiny-Stiftung im Heimatort Remerschen bieten Modelle, Skizzen und Gemälde einen lebendigen Einblick in Leben und Werk des Star-Architekten. Außerdem stellen immer wechselnde befreundete Künstler dort aus. Mehr Infos: https://www.valentiny-foundation.com
Das Biodiversum ist ein Informationszentrum, das inmitten des Naturschutzgebietes „Haff Réimech“ liegt. In dem futuristisch gestalteten Bau, der ein wenig an ein aufgeblähtes Zelt erinnert, werden u.a. die Geschichte des Naturschutzgebietes, die Unterwasserwelt, die Vogel- und Pflanzenwelt und weitere Naturschutzgebiete Luxemburgs präsentiert. Der Besuch lässt sich wunderbar mit einem ornithologischen Rundgang durch das Naturreservat verbinden. Angrenzende Baggerweiher sorgen im Sommer für Abkühlung. Mehr Infos: https://www.biodiversum.lu
Geschichtliches und Kulinarisches in Schengen
Draußen vor der Tür des Europäischen Museums Schengen wehen jeden Tag die Fahnen der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – symbolhaft vereint für einen Kontinent, auf dem sich heute 420 Millionen Menschen einen Kulturraum und ein ähnliches Lebensgefühl teilen. Dass der wichtige Vertrag in Schengen unterzeichnet wurde, hatte vor allem einen symbolischen Grund – der luxemburgische Ort liegt ganz nah an gleich zwei Grenzen – zu Frankreich und zu Deutschland. Im Europäischen Museum Schengen können Besucher ein Faksimile des berühmten Schengener Abkommens studieren, Zollmützen und Pässe der EU-Länder betrachten und sich multimedial an vielen Bildschirmen mit den vielfältigen Auswirkungen des Vertrags beschäftigen. Museumsleiterin Martina Kneip sagt: „Letztendlich wollen wir, dass die Leute, die unser Museum besichtigt haben, ein bisschen von diesem ,Spirit of Schengen´ mit nach Hause nehmen. Dass sie wissen: Offene Grenzen sind etwas ganz Wichtiges und stärken unser Gemeinschaftsgefühl.“ Mehr Infos: https://www.visitschengen.lu
In Schengen lohnt ein Spaziergang durch die Weinberge mit anschließender Verkostung, etwa im Turm auf dem Markusberg. Verschiedene Winzer und touristische Akteure bieten solche Aktionen und Führungen an. Mehr Infos: https://www.vins-cremants.lu
Es ist kein Restaurant und auch keine Bar, es ist beides, und das auf einem Boot: An der Mosel lädt das „Vintage-Boot“ („Péniche VINtage“) zu einer Verkostung regionaler Produkte und Getränke ein – und das auf dem Wasser. Mehr Infos: https://www.visitmoselle.lu
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