Wanderweg „Manternacher Fiels“
Fotonachweis: Oliver RaatzDurch den wilden Schluchtwald
Uralte Bäume, seltene Pflanzen und sanft fließende Bäche – bei einer Tour in der „Manternacher Fiels“ zeigt sich Luxemburgs Natur von ihrer wilden Seite. Der 11,5 Kilometer lange CFL-Wanderweg führt durch eine urwüchsige Landschaft. Am Ende kann man entspannt in den Zug steigen und zum Ausgangspunkt zurückfahren.
Ein Meer aus hellgrünen Farnen und Steinen, die mit dunkelgrünem Moos überzogen sind, zieht sich den steilen Hang empor. Ringsherum stehen Linden und Ahornbäume, hier und da liegen umgefallene überwucherte Baumstämme. Ein schmaler Pfad führt durch den Wald. Die Luft fühlt sich feucht an. Es ist angenehm kühl, trotz der sommerlichen Temperaturen. Unten im Tal plätschert leise die Syr. Willkommen im wilden Schluchtwald der „Manternacher Fiels“.
Das abwechslungsreiche Naturschutzgebiet liegt im Osten Luxemburgs. Zwischen Manternach und Wasserbillig kann man es auf einem 11,5 Kilometer langen Wanderweg der nationalen Eisenbahngesellschaft CFL erkunden. Die Tour beginnt am Bahnhof von Manternach. Nach 100 Metern ein erster Zwischenstopp im Naturschutzzentrum „A Wiewesch“. An der Decke des restaurierten Bauernhauses aus dem 19. Jahrhundert hängen landwirtschaftliche Gerätschaften aus längst vergangenen Zeiten. Eine Ausstellung thematisiert die Verbindung zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. „Beides kann nur Hand in Hand funktionieren“ ist Wander-Guide Luc Roeder, Förster des Reviers Manternach, überzeugt.
Hirschzunge und Gierschdolden
Am Ortsausgang überquert der Weg zum ersten Mal die Syr einen schmalen, 32 Kilometer langen Bach, der von Syren nach Mertert fließt. Dann geht es einige Naturtreppen hoch gen Wald, vorbei an Streuobstwiesen. Aus den hier wachsenden Äpfeln macht man vor allem süßen Viez, erklärt Luc. „Das ist noch nicht gegorener Apfelsaft, der nur gekeltert und sofort konsumiert wird.“
Nach einem spektakulären Ausblick auf Manternach, eine der ältesten Ortschaften Luxemburgs, tritt man durch ein Gatter in den mit 57 Hektar Fläche größten Schluchtwald des Landes und in die „Manternacher Fiels“ ein. Schon nach wenigen Metern ist zu spüren, wie die Luft feuchter und kühler wird. Genau in diesem Klima fühlten sich Moose und Farne wohl, erklärt Luc. Besonders die seltene Hirschzunge mit ihren großen ungeteilten Blättern sprießt in Büscheln zwischen den schattigen Felsen. „Dieser Farn ist sehr typisch für den Schluchtwald“, sagt Luc. In seiner Stimme schwingt deutlich Stolz mit, immerhin wächst der seltene Farn hier besonders ausgeprägt.
Der schmale Pfad führt in stetem Auf und Ab tiefer in den Wald hinein. Gierschdolden säumen den Weg. Hier im Naturschutzgebiet darf, das bei Gärtnern eher unbeliebte Wildkraut ungestört wachsen. Denn seit etwa 50 Jahren wird der ganze Wald sich selbst überlassen. Bis auf notwendige Rückschnitte wegen der nahen Bahnstrecke und der Wanderwege wird kein einziger Baum mehr gefällt. Die Folge: jede Menge umgestürzte und langsam zerfallende Stämme und Äste. Wildnis greift um sich, Natur blüht auf. Die Artenvielfalt wächst. Es entsteht ein „Urwald von morgen“, erklärt Luc. „Wir haben hier viele Insekten, die auf Totholz angewiesen sind. Zugleich kann das Totholz viel Wasser aufnehmen und während der Trockenphasen wieder abgeben. Das ist wichtig für das relativ feuchte Klima im Wald.“
Ein Zuhause für Eisvogel und Schwarzspecht
Ein nächster Stopp. Luc zeigt auf einen mehr als 200 Jahre alten Bergahorn etwas abseits des Weges. Der Durchmesser ist gewaltig. Es braucht vier Erwachsene, um gerade so einmal den gesamten Stamm zu umarmen. Anderenorts hätte man den majestätisch anmutenden und wertvollen Baum wohl längst gefällt und verwertet, meint Luc. „Aber nicht bei uns. Der darf stehenbleiben.“
Während der Wanderung vermischt sich das Bachgeplätscher immer wieder mit dem Piepen und Zwitschern der Vögel. Mit etwas Glück könne man an manchen Tagen sogar Eisvögel sehen, erzählt Luc. Die mittlerweile seltene Vogelart habe an den steilen Uferhängen der Syr ihren Lebensraum gefunden. Auch für den stark gefährdeten Schwarzspecht sei die naturbelassene Manternacher Fiels ideal. Luc zeigt auf einen Baumstamm, in dem eine trapezförmige Höhle klafft. „Die hat ein Schwarzspecht auf der Suche nach Insekten mit seinem Schnabel in den Baum geklopft. Sobald die von ihm verlassen wird, leben darin oft andere Vögel, Fledermäuse oder Insekten.“ Später siedelten sich auch Pilze an. Im langsam absterbenden Holz gedeiht das Leben – ganz am Ende bleibt der Humus.
Über 100 Stufen durch den Wald
Nach einer steilen Abwärtspassage überquert der Weg zum zweiten Mal die Syr, führt unter einem Eisenbahnviadukt hindurch und dann zum Südhang der „Manternacher Fiels“. Schnell ändern sich Klima und Waldbild: Es ist heller, wärmer und trockener, hier wachsen Eichen, Buchen und Orchideen. Für Luc, der schon als Kind Förster werden wollte, bedeutet dieser Wechsel pure Faszination. „Es gibt hier auf sehr engem Raum eine hohe Vielfalt an unterschiedlichen Wäldern. Die Natur ist ständig im Wandel, der Wald ist jeden Tag anders. Dazu kommt die hohe Biodiversität. Das macht die ,Manternacher Fiels‘ so spannend.“
Unter dem nächsten Wegweiser mit dem CFL-Logo kündigt eine Hinweistafel in munteren Lettern an, was den Wanderer gleich erwartet: 100 Treppenstufen. Mitten im Wald. Vorbei an den für die „Fiels“ charakteristischen Brocken aus Muschelkalk, die wie Trockenmauern mit Grünwuchsüberzug aussehen. Es sind sogar mehr als 100 Stufen. Doch am Aussichtspunkt auf dem Plateau ist die kurze Strapaze sogleich vergessen: Von hier bietet sich eine tolle Sicht auf das Naturreservat, den durchquerten Schluchtwald und das Syr-Tal. Am Horizont zeichnet sich der Moselort Grevenmacher ab.
Der Weg führt weiter über weichen Waldboden hinein in das tief eingeschnittene Tal der „Schlammbaach“ – ein ruhiger Fluss mit vielen Schütthalden und bemoosten Felsbrocken. Ein grüner Canyon. Hier endet der schattige Forst und die „Manternacher Fiels“. Vorbei an grasenden Kühen geht es nun über geteerten Untergrund stetig bergab auf die Ortschaft Mertert zu. Zwei fast lebensgroße Löwenstatuen aus dem 19. Jahrhundert wachen am Eingang des Parc Mertert, einem etwa vier Hektar großen Landschaftspark in englischem Stil.
Schiff mit Geschichte
Als die Uferpromenade an der Mosel erscheint, macht die „MS Princesse Marie-Astrid“ gerade eine Kehrtwende. Auf einem Vorgänger des Ausflugsschiffs wurde vor 35 Jahren das berühmte Schengener Abkommen zur Reisefreiheit unterzeichnet. Nach etwa zwei Kilometern entlang des Flusses winkt das Ziel der Wanderung in Wasserbillig. Bevor es hoch zum Bahnhof geht, noch ein Blick auf die Sauermündung – den tiefsten Punkt des Landes – und auf die einzige Fähre Luxemburgs, die just Richtung Deutschland ablegt. Dann: Ankunft am kleinen Bahnhof. In acht Minuten fährt der Zug zurück nach Manternach.
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