Ein Blick aus der Vogelperspektive auf das Industriegelände der Völklinger Hütte zeigt rostfarbene Rohre, große Gebäude und eine kleine Grünfläche im Hintergrund.

Völklinger Hütte

Fotonachweis: Udo Bernhart
Ich bin da – das UNESCO Weltkulturerbe Völklinger Hütte

Bunte Zeichnungen und Kunstwerke verstecken sich zwischen riesigen Türmen und rostigen Stahlträgern. Das ehemalige Roheisenwerk Völklinger Hütte ist heute Weltkulturerbe und Raum für Künstler und Veranstaltungen aus aller Welt.

Der Kopf eines Mannes treibt träge durch den dunklen Wassergraben, im Waldstück daneben drückt sich eine Raubkatze flach gegen eine Wand – ob sie sich vor dem riesigen Affen versteckt, der unweit von ihr vor dem Eingang des Paradieses thront? Nur knapp 50 Meter und doch Welten davon entfernt steht ein blauer Amazonas-Indianer unter einer stählernen Brücke. „Compro Árvores“, auf Portugiesisch „ich kaufe Bäume“, steht auf seinem gelben Umhängeschild. Auf der Brückenwand direkt über ihm erstrecken sich Sonnensysteme, Wurmlöcher und bionische Formen – ein ganzes Universum aus Kreide.

Es gibt so viel zu entdecken im Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Das im Saarland im Jahr 1873 gegründete Roheisenwerk war über 100 Jahre lang im Betrieb und beschäftigte zu seinen Hochzeiten mehr als 17.000 Menschen. Alle zwei Stunden flossen 130 Tonnen Roheisen aus den Hochöfen – und das an sieben Tagen in der Woche. Der letzte Abstich erfolgte 1986, acht Jahre später wurde es, als erstes Industriedenkmal aus der Blütezeit der Industrialisierung, von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. „Seitdem ist die Völklinger Hütte ein Kulturort geworden,“ sagt Frank Krämer, Ausstellungsleiter der Völklinger Hütte, stolz. Seit 20 Jahren arbeitet er am Industriedenkmal, hat es wachsen sehen und mitgestaltet.

Von einer Aussichtsplattform im Inneren der Hütte sind im Hintergrund rostfarbene Industriebauten zu sehen, so weit das Auge reicht. Fotonachweis: Udo Bernhart

Wo bis vor knapp 40 Jahren noch die Luft vor Hitze flimmerte, finden jetzt Klassikkonzerte und Elektro-Festivals statt, werden Kultur- und Kunstausstellungen gezeigt und dürfen sich Urban-Art-Künstler aus aller Welt verwirklichen. „Urban Art fordert die Wahrnehmung“, erzählt Krämer weiter, „nicht jeder Besucher sieht auf dem sieben Kilometer langen Rundweg die selben Kunstwerke. Manche muss man suchen, andere sind ganz klein. Und das passt hier in das Gigantische, Monströse wunderbar rein.“

Auf dem Gelände der Hütte ist eine riesige urbane Kunstinstallation in Form einer comicartigen Bemalung eines Gesichts zu sehen.
Fotonachweis: Udo Bernhart
Ein Ort der Erinnerung

In der ehemaligen Sinterhalle riecht es nach altem Öl und Ruß. Die Luft ist immer noch schwer, vor allem im Sommer. Unvorstellbar, wie es gewesen sein muss, als hier noch das laute Hämmern der Maschinen, Staub und Rauch wüteten. Als Ruß und Kalk sich schwarz-grau auf die Haut der Arbeiter legten und der Schweiß kleine Flussbetten auf die Hautlandschaft zeichnete. Es ist dunkel hier. In der Maschine, in der damals 1200 Grad Celsius heißer Sinter die Umgebung rot erleuchten ließ, glühen heute rote Lampen. Im Gang ein paar Meter weiter steht eine Bushaltestelle. So sieht die Sitzbank unter dem Holzverschlag zumindest aus, dabei war dies ein kleiner überdachter Pausenort, unter dem sich die Mitarbeiter vor dem Staub schützen konnten.

Ein Wispern lockt die Besucher aus der Halle in einen engen, spärlich beleuchteten Gang. „Paul Jensen…Gino Agostini…“, Unbekannte aus einem anderen Jahrhundert. „Krista Petrovic… Edouard Didier“, ein unaufhörlicher Strom geflüsterter Namen verhallt zwischen den meterhohen rostigen Aktenschubladen. In der Mitte des Raums liegt ein riesiger Haufen getragener schwarzer Kleidungsstücke. Es ist eine Kunstinstallation, die an die knapp 12.000 Zwangsarbeiter erinnert, die hier im ersten und zweiten Weltkrieg arbeiten mussten.

Die Völklinger Hütte ist nicht nur ein Ort der Kunst, sie ist auch ein Ort der Erinnerung und der Forschung. So wird hier neben der Zwangsarbeit zum Beispiel auch die Geschichte der Röchlings, der Gründer- und Eigentümerfamilie des Eisenwerks, erforscht. „An einem verlassenen Ort sieht man immer nur die Architektur. Nie die Menschen, die alles erschaffen und am Laufen gehalten haben“, sagt Krämer „das ist hier anders“.

Industrieruinen sind mitten in Grüne zu sehen. Fotonachweis: Udo Bernhart

Die moderne Urban Art und die vergangenheitsbezogene Forschung bilden hier ein spannendes Zusammenspiel. „Bei Urban Art geht es im Grunde genommen um die Aussage: Ich bin da! Ich habe eine Botschaft und die soll gesehen werden“, so Krämer.

Frank Krämer
Ausstellungsleiter
„An einem verlassenen Ort sieht man immer nur die Architektur. Nie die Menschen - das ist hier anders.“
Ein Führer im Inneren der Hütte steht im Hochformat, schaut weg und nach links. Er hat graue Haare, ist braun gebrannt und trägt ein blau-rosa Hemd.
Fotonachweis: Udo Bernhart
Das Paradies im Roheisenwerk

Kaum ein Windhauch streift heute durch die Bäume, die sich vor ein paar Jahren erst noch schüchtern, dann immer mutiger zwischen den massiven Stahlkonstruktionen und gemauerten Kaminen des ehemaligen Roheisenwerks verbreitet haben. Mit jedem Schritt in die ehemalige Kokerei wird es grüner. Früher war hier der heißeste Ort des Eisenwerks, heute flattern bunte Schmetterlinge über die Wildblumen. Seit Stilllegung des Werks konnte sich die Natur hier über 20 Jahre lang ungestört entfalten. „Aus der ehemaligen Hölle ist dieser wunderschöne Garten entstanden. Deswegen haben wir es „Paradies“ genannt“, erzählt Krämer. Mit den Pflanzen kamen auch die Tiere zurück, Fledermäuse, ein Fuchs und sogar Fische, die im schwarzen Löschteich schwimmen.

Die Symbiose aus Stahl, Rost und wilder Natur scheint inspirierend zu sein. Rund um die Gärten gibt es besonders viele Urban-Art-Kunstwerke zu entdecken. Manche davon, wie die drei leicht bekleideten Damen aus Seidenpapier, sind auf den meterhohen Wänden der Koksbatterie kaum zu übersehen. Andere, wie das Gemälde der Raubkatze, sind so gut versteckt, dass es nur die Wenigsten entdecken. Alle zwei Jahre verändert sich das Gelände der Völklinger Hütte. Dann pilgern Künstler aus aller Welt für die Urban Art Biennale zum Weltkulturerbe, streifen über das Gelände und lassen sich inspirieren. Von der Geschichte des Geländes, der Natur, die sich von dem verbrannten Stück Land nicht hat unterkriegen lassen, von den rostigen Stahlträgern, dem Brummen der Maschinen, von den Menschen, die hier waren und von den Menschen, die es heute noch sind.

Mehr Infos zum UNESCO Weltkulturerbe Völklinger Hütte unter:

https://www.voelklinger-huette.org

Im Hintergrund sind die rostfarbenen Strukturen, die die Völklinger Hütte ausmachen, abgebildet. Eine Industrieszene mit rostfarbenem Metall an verschiedenen historischen Maschinen ist vor blauem Himmel abgebildet.
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